SiebenWege2

So funktioniert die Wirtschaft... von Nikolaus Nützel © cbj

Ein Kinderbuch – der Geheimtipp für Erwachsene

Christian Müller /  Wie funktioniert Wirtschaft heute? «7 Wege reich zu werden, 7 Wege arm zu werden» zeigt das perfekter als jedes andere Buch.

Nikolaus Nützel ist ein renommierter Wirtschaftsjournalist in München und arbeitet vor allem für den Bayerischen Rundfunk. Und er hat eine Spezialität: Er versucht, komplexe Zusammenhänge so zu beschreiben, dass sie auch von Jugendlichen verstanden werden.

Vor einiger Zeit hat er ein Buch vorgelegt: 7 Wege reich zu werden, 7 Wege arm zu werden. Das Buch ist schlicht genial. Nützel porträtiert darin Karl Albrecht und Bruder Theo Albrecht, die Besitzer der Ladenkette Aldi (Modell Aldi). Er porträtiert Susanne Klatten, die Erbin des Quandt-Imperiums (Modell Fabrikant). Er porträtiert Bill Gates und seine Mikrosoft (Modell Monopolist). Er porträtiert Wendelin Wiedeking von Porsche (Modell Chef). Er porträtiert Beoncé Knowles und Michael Ballack (Modell Star). Und schliesslich porträtiert er John Paulson (Modell Spekulant). Und er zeigt bei jedem Modell, warum es funktioniert: Wer da mal Macht hat, dem wird immer mehr gegeben.

Die Wege zur Armut sind naturgemäss weniger prominent: Die Modelle heissen Dritte Welt; Hartz IV für Jüngere, Hartz IV für Ältere; Working poor; Krankheit; Altersarmut und Schuldenfalle. Alles wunderbar anschaulich – und mit exakten Zahlen!

So läuft’s. Und kann man das ändern?

Nein, Nikolaus Nützel ist kein Fatalist. Zu beschreiben, wie «es eben läuft», ist das eine. Das andere allerdings ist die Frage, ob es denn wirklich so sein muss, dass die Schere zwischen Reich und Arm immer weiter aufgeht. Und er stellt diese Frage – und versucht sie zu beantworten. Natürlich mit sieben Modellen: Sozialismus; Zinslos wirtschaften; Allgemeines Grundeinkommen; Mikrokredit-Wirtschaft; Genossenschaft; Politik greift ein, und Kopf einschalten. Aber auch hier zeichnet er die Ideen auf, die hinter diesen Modellen stecken, mit sehr viel Sachkenntnis. Und er erklärt auch, warum sie nicht DIE Lösung sein können. Mit Ausnahme – vielleicht! – der letzten: dass wir wieder mehr denken.

Nützel schrieb das Buch für Jugendliche, in einfacher Sprache, sehr unterhaltsam, auch mit Humor! Es wäre allerdings schon schön, wenn wenigstens die Journalisten und Journalistinnen so viel von Wirtschaft verstehen würden, wie man aus diesem Buch herauslesen kann.

Die richtigen Fragen stellen!

Nützel liefert denn auch nicht nur ein Inhaltsverzeichnis, sondern auch eine Anzahl Fragen, die man sich gelegentlich stellt – stellen sollte! Etwa: Warum verdienen Firmenchefs viel mehr als Länderchefs? Warum finden nicht alle, die eine Arbeit suchen, auch einen Job? Stimmt es, dass im Christentum Zinsen früher verboten waren? Wer profitiert, wenn jemand seine Schulden nicht mehr zahlen kann? Und und.

Nützels Buch ist – siehe oben – genial. Ein Schatz an Erklärungen, eine Fülle von Wissen über Mechanismen und Automatismen in der Welt der Wirtschaft. Und ein harter Denkanstoss dazu, warum es vielleicht keine gute Idee ist, das Wirtschaften einfach dem Lauf der Welt zu überlassen.

Ein Buch für Jugendliche, ein Geheimtipp für Erwachsene!


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.