Sperberauge

Wissen sie, was sie tun?

Christian Müller © zvg

Christian Müller /  Das Postulat Rechsteiner zur Übernahme der IHRA-Antisemitismus-Definition wurde diskussionslos überwiesen.

Infosperber hat darüber ausführlich informiert: Der St. Galler Ständerat Paul Rechsteiner (SP) hat ein Postulat eingereicht, in dem er vom Bundesrat erwartet, die Definition von «Antisemitismus» gemäss der IHRA «International Holocaust Remembrance Alliance» auch für die Schweiz als gültig zu erklären. Nun hat der Ständerat das Postulat «diskussionslos und einstimmig» überwiesen.

Wo in der Politik etwas diskussionslos über die Bühne geht, gilt es, doppelt vorsichtig zu sein. Die Definition von Antisemitismus gemäss IHRA ist nämlich auch in jüdischen Kreisen stark umstritten. Ihre Formulierung erlaubt es, auch Kritik an der Politik Israels als «antisemitisch» zu erklären (und damit zum Beispiel in Deutschland zu verbieten), weil Israel sich selbst als «Jüdischen Staat» definiert. Israel aber nicht kritisieren zu dürfen, widerspricht nicht nur dem Recht auf freie Meinungsäusserung, sondern ist nachgerade absurd. Denn was unter Premierminister Benjamin Netanyahu zur Zeit dort abläuft, ist nachgerade unglaublich. Wer die paar Franken und den Zeitaufwand nicht scheut, um sich israelische Zeitungen zu abonnieren und zu lesen, oder wer auch nur schon den Gratis-Newsletter des BESA Center in Tel Aviv abonniert hat, weiss, was dort gegenwärtig abläuft. Netanyahu hat – ein Beispiel nur – gerade vor ein paar Tagen versprochen, das Jordantal in der Westbank zu annektieren, falls er in den Wahlen in vier Tagen wiedergewählt werden sollte und eine neue Regierung bilden könne.

In jedem anderen Staat der Welt würde das Programm und das Vorgehen einer Regierung im Stil von Benjamin Netanyahu in allen grossen Zeitungen der Welt hart kritisiert. Nicht so im Fall Israel, denn wer die israelische Regierung kritisiert, ist – so will es die von Paul Rechsteiner geforderte Definition – ein Antisemit. Und wer will, in Anbetracht der Ungeheuerlichkeit des Holocaust, ein Antisemit sein?

Doch zurück zum Ständerat: Es bleibt zu hoffen, dass das diskussionslos überwiesene Postulat wenigstens im Bundesrat zum Aufleuchten von ein paar roten Lampen führt. Grosse Hoffnung allerdings besteht da nicht. Die wohl zuständige Justizministerin Karin Keller-Sutter ist eine St. Galler Kollegin von Paul Rechsteiner, und Aussenminister Ignazio Casis hat mit seinen Äusserungen zum Schicksal der Palästinenser eh bereits gezeigt, wes Geistes Kind er ist.

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht schaffen es wenigstens die Schweizer Juden, die im Verein «Jüdische Stimme für Demokratie und Gerechtigkeit in Israel/Palästina» organisiert sind, in Bern eine Gegenstimme zu erheben. Der Bundesrat möge die «Jüdische Stimme» erhören!

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Hinweis: Am 19. September wird in Basel eine informative Ausstellung zum Konflikt in Palästina eröffnet. Die genauen Angaben (Ort, Öffnungszeiten, Führungen, Veranstaltungen) findet man hier.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

WandernderJude

Offene/verdeckte Judenfeindlichkeit

Antijudaismus und Antisemitismus sind eine speziell gegen Juden gerichtete Form von Fremdenfeindlichkeit.

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8 Meinungen

  • am 13.09.2019 um 12:01 Uhr
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    Ich bin gerade am Lesen des Buches «Breaking the silence, israelische Soldaten berichten vom ihrem Einsatz in den besetzten Gebieten», Econ Verlag. Was dort in diesen von Israels seit 1967 besetzten Gebieten abläuft ist furchtbar. Die Menschenrechte werden in der Westbank und in Gaza durch Israel mit den Füssen getreten. Kritik an der Politik Israels ist notwendig und darf nicht unterbunden werden. Diese Kritik im Ausland ist auch für die israelischen Kritikerinnen und Kritiker der Politik Israels wichtig. Denn die Bürger und Soldaten in Israel die die Kriegspolitik, die Apartheidpolitik gegen die israelischen Araber und die brutale Besatzungspolitik der israelischen Armee in den besetzten Gebieten kritisieren sind auch in Israel unter Beschuss.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 13.09.2019 um 12:34 Uhr
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    Ja, lieber Christian Müller, «diskussionslos» kann man so gut wie nie ernst nehmen; erst recht nicht im Ständerat, gegen dessen unqualifizierte Neigung zur Einstimmigkeit einst Thomas Minder angetreten ist. Die Domestikation läuft dort nach dem Motto «Gibst du mir die Wurst, lösch ich dir den Durst». Dabei gehöre ich durchaus noch zu den Sympahtisanten des ehemaligen Ministranten Rechsteiner, dem ich nichtsdestotrotz eine Wiederwahl gönnen wurde, die Erstwahl desselben erfolgte fast gleichzeitig mit Minder. Die IS-Beiträge zu obigem Thema halte ich ähnlich wie diejenigen zur «Russophobie» für angemessen kompensatorisch, wenngleich man aufpassen muss, dass, wenn der dumme Mainstream «gix» sagt, «gax» nicht automatisch richtig ist, vgl. der durchaus bedenkenswerte NZZ-Beitrag von heute Freitag zur Oppositon in Russland. Und sogar der verhasste Trump deutet spätestens seit der Entlassung Boltons an, dass er schwerlich der schlechteste Präsident der letzten 30 Jahre sein kann, wobei die Latte dafür freilich tatsächlich sehr tief hängt. Weiter so, Infosperber! Fakten müssen indes stets vor Gesinnung kommen!

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 13.09.2019 um 16:13 Uhr
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    Israel ist etwa so demokratisch, wie die Sklavenhalterstaaten der Antike. Vokabularmissbrauch noch und noch.

  • Portrait_Gnther_Wassenaar
    am 14.09.2019 um 08:40 Uhr
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    Holocaust und Antisemitismus, sind ein und das selbe. Erst viele Jahre nach der grausamen Judenvernichtung im 3. Reich, kamen US-Politologen auf die Idee, diese Vernichtung der Juden, als etwas einzigartiges darzustellen und aus dem Grund, die bis dahin allgemeingültige Bezeichnung Holocaust für Volksvernichtung, einzig den Juden zuzulassen. Selbst die Sinti und Roma, die in den gleichen Gaskammern umgebracht und in den gleichen Öfen verbrannt wurden, steht es nicht zu, als Holocaust-Opfer benannt zu werden – Juden sind eben etwas besonderes – ODER?

    Muß man das nicht ebenso als Rassismus bezeichenen?

    Kommen wir zu einem anderen Fakt. Können NUR Christen zu Faschisten werden? Kann es sein, dass diese brutalste Regierungsform des Kapitals ebenso bei Juden vorhanden sein kann? Was ist denn Zionismus?

    Wenn JEDE Kritik an Israel verboten wird, darf man diesen Staat selbst wenn er faschistisch ist, diesen nicht kritisieren – somit sind diejenigen, die dies fordern – Unterstützer des Faschismus, denn in Israel herrschen keine Juden, sondern ist der Zionismus – die einstmals jüdische Form des Faschismus, an der Macht. Diesen Zionismus hängen mittlerweile auch Angehörige anderer Religionen nach, die somit den faschistischen Staat Israel unterstützen, dessen Ziel seit bestehen des Zionismus, die Vernichtung der dort lebenden Bevölkerung war und ist !

  • am 15.09.2019 um 12:46 Uhr
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    Die Instrumentalisierung des Antisemitismusbegriffs, der von @Josef Hunkeler richtig wiedergegen wird, besteht in der IHRA-"Definition» darin, einen politisch-ökonomischen Begriff zu enthistorisieren und stattdessen zu psychologisieren: «Hass» ist ein individuelle psychologische Kategorie.

    Die Naziführer haben nicht die Juden «gehasst», sondern präzise das «Finanzjudentum» (Rede Adolf Hitlers vor dem Reichstag 1940) als Verursacher von Kriegen behauptet und bekämpft; diese Erkenntnis ist bei Horkheimer / Adorno in Dialektik der Aufklärung (1944) nachzulesen: „Die Erwachsenen, denen der Ruf nach Judenblut zur zweiten Natur geworden ist, wissen so wenig warum, wie die Jugend, die es vergießen soll. Die hohen Auftraggeber, die es wissen, hassen die Juden nicht und lieben nicht die Gefolgschaft.“ (Horkheimer / Adorno: Elemente des Antisemitismus, S. 154).

    Antisemitismus ist, wie Zionismus, Sozialismus, Katholozismus, ein «Ismus, also ein politisch-ökonomisch fundierte Geschäftsidee. Antisemitismus als Geschäftsidee von Antisemiten ist 1945 ff. strukturell-funktional zerschlagen worden, und dies ein-für-allemal. Der zionistische Antisemitismus-Vorwurf, der von Müller zurecht kritisiert wird, ist eine zionistische Geschäftsidee, die von Finkelnstein in «Die Holocaust-Industrie» schon als solche beschrieben worden ist.

    Mehr: DER ZIONISTISCHE ANTISEMITISMUSBEGRIFF https://wp.me/sxqev-4289

  • am 15.09.2019 um 13:22 Uhr
    Permalink

    Die Instrumentalisierung des Antisemitismusbegriffs, der von @Josef Hunkeler richtig wiedergegen wird, besteht in der IHRA-"Definition» darin, einen politisch-ökonomischen Begriff zu enthistorisieren und stattdessen zu psychologisieren: «Hass» ist ein individuelle psychologische Kategorie.

    Die Naziführer haben die Juden nicht «gehasst», sondern wissentlich das «Finanzjudentum» als Verursacher von Kriegen behauptet und bekämpft (Rede Adolf Hitlers vor dem Reichstag 1939 ); diese Tatsache ist bei Horkheimer / Adorno in Dialektik der Aufklärung (1944) nachzulesen: „Die Erwachsenen, denen der Ruf nach Judenblut zur zweiten Natur geworden ist, wissen so wenig warum, wie die Jugend, die es vergießen soll. Die hohen Auftraggeber, die es wissen, hassen die Juden nicht und lieben nicht die Gefolgschaft.“ (Horkheimer / Adorno: Elemente des Antisemitismus, S. 154).

    Antisemitismus ist, wie Zionismus, Sozialismus, Katholizismus, ein «Ismus, also eine politisch-ökonomisch fundierte Geschäftsidee. Antisemitismus als Geschäftsidee von Antisemiten ist 1945 ff. strukturell-funktional zerschlagen worden, und dies ein-für-allemal. Der zionistische Antisemitismus-Vorwurf, der von Müller zu Recht kritisiert wird, ist eine zionistische Geschäftsidee, die von Finkelstein in «Die Holocaust-Industrie» schon als solche beschrieben und bewertet worden ist.

    Mehr: DER ZIONISTISCHE ANTISEMITISMUSBEGRIFF https://wp.me/sxqev-4289

  • am 16.09.2019 um 17:53 Uhr
    Permalink

    Ist wohl ein redaktionelles Versehen dass der Beitrag von Gerd Weghorn gleich doppelt erscheint.

  • am 16.09.2019 um 21:00 Uhr
    Permalink

    Ich bin völlig einverstanden mit Ihrem Bericht. Einen Kurzkommentar habe ich in meinem Kirchenblog veröffentlicht.https://www.blogs-kath.ch/

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