Facebook_Antisemiten

Test hat bewiesen, dass auf die Selbstkontrolle bei Facebook und andern kein Verlass ist © fb/is

Facebook erlaubte Werbung für Antisemiten

Daniela Gschweng /  Bis vor Kurzem war es auf der Social-Media-Plattform möglich, gezielt Werbung für «Judenhasser» zu schalten.

Ob zum Verkauf von Nazi-Memorabilia oder für die nächste ultrarechte Demonstration: Per Facebook-Werbung gezielt ein antisemitisches Publikum zu erreichen, war kein Problem. Das bewies eine Recherche der unabhängigen Plattform «ProPublica». Sie wollte testen, wie es mit den Versprechen von Facebook steht, Missbräuche künftig möglichst zu verhindern.

Aus Einträgen in Nutzerprofilen generierte Facebook mit Algorithmen automatisch antisemitische «Ad Categories», also spezifische Zielgruppen, räumte ein Facebook-Sprecher ein. Ein Problem, das nicht nur Facebook hat. Erst als Facebook von «ProPublica» nach dem Test darauf hingewiesen wurde, hat Facebook die fraglichen Einstellungen entfernt.

Antisemitische Werbung leichtgemacht

Durch einen simplen Test wiesen die Reporter von «Pro Publica» nach, wie einfach eine antisemitische Zielgruppe per Facebook-Ad anzusprechen ist: Sie schalteten einfach Werbung für die eigene Seite. Der Versuch kostete 30 Dollar.


Mit einem halben Dutzend Kategorien liess sich die antisemitische Zielgruppe auf Facebook auswählen: «German Schutzstaffel», «History of ‹why jews ruin the world›», «How to burn jews», «Jew hater» (Bild: Pro Publica)

Facebook gibt Werbenden die Möglichkeit, das Zielpublikum für eine Werbeanzeige nach verschiedenen Stichworten oder Stichwortgruppen (Ad Categories) einzugrenzen. Diese werden von Facebook errechnet aus dem, was Nutzer selbst posten und den Inhalten, mit denen sie interagieren.

Mit «Jew Hater» (Judenhasser) hätte die Anzeige zwar nur 2274 Personen erreicht und damit zu wenige, um von Facebook akzeptiert zu werden. Als «Pro Publica» aber weitere Stichworte wie «how to burn Jews» (wie man Juden verbrennt), «Hitler did nothing wrong» oder «German Schutzstaffel», eine Bezeichnung für die SS, auswählte, wuchs die Zielgruppe genügend an. Die Anzeige sei von Facebook innerhalb von 15 Minuten bestätigt worden, schreibt «Pro Publica».


Nach nur 15 Minuten wurde die Anzeige von Facebook bestätigt. (Bild: Pro Publica)

Die Quelle für diese teilweise sehr kleinen Kategorien fanden die Algorithmen in dem Bereich des Nutzerprofils, wo man Angaben wie persönliche Interessen, Arbeitgeber und Mottosprüche eintragen kann. Einige Nutzer gaben beispielsweise «Nazi Party» (Nazipartei) als Arbeitgeber an.

Facebook hat inzwischen zugesagt, diese Profilbereiche nicht mehr zur Ermittlung von werberelevanten Stichworten zu verwenden und löschte die fraglichen Kategorien. Doch automatisch generierte Zielgruppen sollten künftig vermehrt auch von Menschen geprüft werden, schrieb Sheryl Sandberg, Geschäftsführerin von Facebook, in einem Facebook Post.
Es ist nicht das erste Mal, dass Facebook wegen seiner Werbeeinstellungen in die Kritik gerät. Letztes Jahr deckte «Pro Publica» auf, dass sich Facebook-Werbung nach ethnischen Kriterien filtern lässt, was bei bestimmten Werbekategorien in den USA verboten ist (Infosperber berichtete «Facebook wirbt auch ethnisch affin»).

Das Problem beschränkt sich nicht auf Facebook

Nicht nur Facebook scheint Probleme damit zu haben, gezielte rassistische und antisemitistische Werbung zu unterbinden. Auch Google, der andere grosse Anzeigenverkäufer im Internet, ermöglicht die Eingabe von rassistischen und antisemitischen Stichworten zu Werbezwecken, wies «BuzzFeed» nach. War die Zielgruppe nicht gross genug, schlug Google ebenfalls mehr passende Stichworte vor. Auch Google gelobte Besserung, schreibt die «New York Times», Twitter sei nicht viel besser dran, schreibt «The Daily Beast».

Die Geister, die ich rief

Die Zurückhaltung der grossen Tech-Unternehmen, rassistische oder antisemitische Werbung zu unterbinden, hat im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen herrscht in den meisten Unternehmen im Tech-Sektor eine libertäre Weltanschauung vor, die die Zensur von Internetinhalten ablehnt.

Seit bekannt wurde, dass Facebook im US-Wahlkampf 2016 für politische Anzeigen von «nicht authentischen» Nutzern missbraucht wurde und den Ereignissen in Charlottesville, wo bei einer White-Pride-Veranstaltung ein Mensch starb, versprach Facebook-CEO Marc Zuckerberg, vermehrt gegen Hass-Postings vorzugehen.

Zum anderen haben die Konzerne die Macht der Algorithmen unterschätzt. Sie arbeiten daran, ungute Einflüsse zu bändigen. «Wir wissen, dass wir noch eine Menge Arbeit vor uns haben», erklärte Facebook. Ein Sprecher von Google äusserte sich ähnlich.

_
Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts von «Pro Publica» und anderer Quellen erstellt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

Business_News_Ausgeschnitten

Medien: Trends und Abhängigkeiten

Konzerne und Milliardäre mischen immer mehr mit. – Die Rolle, die Facebook, Twitter, Google+ spielen können

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

2 Meinungen

  • am 17.10.2017 um 22:38 Uhr
    Permalink

    Unappetitliche Sache, aber überraschend kommt das nicht.
    Haben die Firmen die «Macht der Algorithmen» unterschätzt?
    Oder haben sie eher die Intelligenz der Algorithmen überschätzt?
    In jedem Falle frisch und frei nach bewährter Art der IT-Branche: Neue Programme zuerst in der Praxis einsetzen, und dann später nach und nach die Fehler zu beheben versuchen.

  • alex_nov_2014_1_3_SW(1)
    am 18.10.2017 um 14:28 Uhr
    Permalink

    Intelligent im Sinne von «sinnvolle Entscheidungen treffen» sind Algorithmen ja eben nicht. Dass sie aus einer grossen Menge Daten, die mehr oder weniger ein Abbild einer Gesellschaft sind, sexistische, rassistische oder antisemitische Schlüsse ziehen, ist nicht weiter verwunderlich.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...