Sperberauge

«Mehr Lametta…»

Heinz Moser © zvg

Heinz Moser /  Ein Loriot-Sketch über die Weihnachtsfeier der Familie Hoppenstedt löst eine bizarre Auseinandersetzung vor Gericht aus.

Ein T-Shirt Produzent in Deutschland liess auf seine Shirts den Spruch von Loriot (Vicco von Bülow) drucken: «Früher war mehr Lametta». Doch so skurril wie die Weihnacht bei der Familie Hoppenstedt, die auf allen Fernsehprogrammen so selbstverständlich ins Weihnachtsprogramm gehört wie am Silvester «Dinner for One», ist der Streit um die Shirts. Denn die Angehörigen des Komikers waren der Meinung, dass durch das Abkupfern des Spruchs eine Verletzung des Urheberrechts gegeben sei. Die Verwendung des Zitats sei urheberrechtlich schutzfähig und habe eine eigene «Werkqualität». Mit dieser möglichen Verletzung des Urheberrechts mussten sich erst das Landgericht und dann das Oberlandesgericht München beschäftigen

Keine Verletzung des Urheberrechts

Doch beide Gerichte wiesen den Antrag zurück. Der Spruch von Loriot sei urheberrechtlich nicht schutzfähig, hielt das Landgericht München fest. Es fehle dem kurzen Satz «Früher war mehr Lametta» die «hinreichende Schöpfungshöhe» für einen Schutz durch das Urheberrecht. Literarisch geübt hielten die Richter fest, dieser Satz erfahre erst durch «die Einbettung in den Loriot-Sketch ‹Weihnachten bei Hoppenstedts› und die Situationskomik seine Bedeutung. An sich handle es sich um einen eher alltäglichen und belanglosen Satz, der entweder schlicht zum Ausdruck bringe, dass früher mehr Lametta benutzt wurde, oder – unter Verwendung des Wortes ‹Lametta› als Metapher – dass früher mehr Schmuck, Glanz, festliche Stimmung oder Ähnliches war».

TV-Klassiker von Loriot: Weihnachten bei Familie Hoppenstedt (© ARD/Radio Bremen)
Das Oberlandesgericht doppelte kurz vor Weihnachten 2019 nach: Die Werkqualität der streitgegenständlichen Wortfolge werde auch dadurch nicht belegt, dass sie als Aufdruck für verschiedene Produkte verwendet werde. Denn eine «Nachfrage» bestehe nicht nur für als Werk geschützte Wortfolgen, sondern nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch in Bezug auf banale Wortfolgen, denen – aus welchen Gründen auch immer – ein entsprechender Aufmerksamkeitswert zukommt – wie etwa dem Spruch «Wir schaffen das».
Dem Oberlandesgericht wäre immerhin entgegenzuhalten: Trotz der bestrittenen Werkqualität ist klar, dass das Zitat über Lametta nur dank Loriot zum geflügelten Wort im deutschsprachigen Raum geworden ist.

Weihnachten bei Hoppenstedts

Der 1978 erstmals gesendete Sketch über die Weihnachtsfeier der Familie Hoppenstedt ist aber auch zeitgeschichtlich interessant. Er zeichnet mit Ironie ein Bild der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Das Wirtschaftswunder in Deutschland hatte nach dem Zweiten Weltkrieg Wohlstand gebracht und den Glauben an Fortschritt und moderne Technik verstärkt. So ist klar, dass der Weihnachtbaum im Sketch mit einer elektrischen Lichterkette versehen sein muss. Doch alles wird dunkel, als Opa Hoppenstedt versehentlich den Stecker zieht. Auch der beginnende Geschenkerummel wird karikiert, wenn am Schluss des Films das Geschenkpapier das ganze Treppenhaus verstopft.
Sogar ein Spielzeug-Atomkraftwerk wird von Papa aufgebaut. Mutter Hoppenstedt (Evelyn Hamann) darauf ganz stolz: «Darf Mutti auch mal zugucken?». Der Papa darauf: «Wenn wir was falsch gemacht haben, dann macht es jetzt ‹Puff›». Und natürlich macht es gleich «Puff» und ein dickes Loch wird in den Wohnungsboden gebrannt.

Fast am gleichen Tag, als das Urteil zum T-Shirt-Spruch bekannt wurde, begann übrigens in der Schweiz die Verschrottung des AKW Mühleberg – damit es bei uns nicht mehr «Puff» machen kann.
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Hier sehen Sie «Weihnachten bei Hoppenstedts» 2019 im TV:

  • Dienstag, 24. Dezember, 13:50 Uhr, Das Erste
  • Dienstag, 24. Dezember, 18:05 Uhr, NDR
  • Dienstag, 24. Dezember, 21:45 Uhr, NDR
  • Dienstag, 24. Dezember, 23:20 Uhr, SWR
  • Dienstag, 24. Dezember, 23:50 Uhr, WDR

Weiterführende Informationen


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Keine.

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