Kommentar

Die Befreiung des Autos – und seine Folgen

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Selbstfahrende Fahrzeuge sollen unsere Verkehrsprobleme lösen. Doch wehe, wenn sie losgelassen.

Automobil heisst selbstbeweglich. Doch selbst bewegen können sich nur wenige Autos (etwa jene, deren Lenker sie auf einer abschüssigen Strasse abstellen, ohne einen Gang einzulegen oder die Handbremse anzuziehen). Die meisten Personenwagen stehen heute während 23 von 24 Stunden unbeweglich in der Garage oder auf einem Parkplatz. Wann sie bewegt werden, wie lang und wohin, bestimmen allein ihre Besitzerinnen und Besitzer. Die Forderung der Autogewerkschaft, diese Beweglichkeit auf Abruf durch gesetzlich festgelegte Bewegungszeiten zu ersetzen, scheiterte bislang am Widerstand der Automobilisten-Verbände.

Das Auto, Symbol für Unabhängigkeit und Abenteuer, ist in Wirklichkeit also ein höchst unfreies Gefährt. Doch das wird sich ändern. Denn bald nimmt die industrielle Technik den Automobilisten das Steuer(n) aus der Hand: Sie entwickelt selbstfahrende Autos. Damit können diese künftig jederzeit los- und überall hinfahren, ohne ihre Eigentümer fragen oder sie gar mitnehmen zu müssen. 131 Jahre nach seiner Geburt wird das Auto damit endlich automobil.

Technikgläubige Menschen wie etwa Peter Bodenmann erwarten, mit selbstfahrenden Autos liessen sich Staus beseitigen und die Verkehrsprobleme ohne zusätzlichen Strassenbau lösen. Damit unterliegen sie einem gewaltigen Irrtum. Denn wenn alle 4,6 Millionen Personenwagen in der Schweiz miteinander losfahren, verursachen sie nach wenigen Sekunden einen Dauerstau von Rorschach bis nach Genf. Das selbstfahrende Auto führt unweigerlich in die totale Auto-Immobilität.

Angst vor dem befreiten Auto hat offenbar auch die Schweizer Bevölkerung. 53 Prozent der vom Vergleichsdienst Comparis befragten Personen gaben kürzlich an, sie würden auf keinen Fall auf selbstfahrende Autos umsteigen. Allerdings wird ihr Widerstand die Entwicklung solcher Fahrzeuge nicht stoppen. Denn persönliche Selbstbestimmung hin, Demokratie her: «Der Fortschritt», sagen die Technokraten, «ist nicht aufzuhalten».


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

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4 Meinungen

  • am 17.11.2017 um 16:13 Uhr
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    Auch ein «selbstfahrendes» Auto ist nicht auto-mobil: Es braucht Fremdenergie … Als auto-mobil könnte man (vorläufig?) höchstens den Menschen zu Fuss oder auf dem Velo bezeichnen.

  • am 18.11.2017 um 09:49 Uhr
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    Ein Autofahrer bremst, wenn ein Fussgänger auf die Strasse läuft – meistens, manchmal aber auch nicht.
    Für Fussgänger ist das eine Unwägbarkeit. Wenn man nicht im Recht ist, probiert man es lieber nicht aus.

    Ein selbstfahrendes Fahrzeug bremst in jedem Fall.
    Der Fussgänger bekommt also im Laufe der Zeit immer mehr Macht. Bei einem selbstfahrenden Auto kann man einfach auf die Strasse gehen und es ausbremsen.
    Spannend.

  • am 20.11.2017 um 20:56 Uhr
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    Die Annahme, dass selbstfahrende Autos 24 Stunden pro Tag unterwegs sein würden, ist nicht ganz realistisch. Eine gewisse Zunahme des Verkehrs könnten sie allerdings schon auslösen. Wohlhabende Eltern könnten zum Beispiel schon einem kleinen Kind ein eigenes Auto schenken, damit es per Robotaxi in seine vielfältigen Kurse chauffiert werden könnte.

    Vor allem glaube ich, dass selbstfahrende Autos nicht so bald praxistauglich sein werden. Die Idee von Ekkehard Blomeyer illustriert schön ein Problem, an das die heutigen Ingenieure noch nicht denken. Viele andere «unknown unknowns» werden noch dazukommen.

    Auch glaube ich, dass viele Automobilisten gar nicht umsteigen wollen. Denn sie möchten nicht einfach von A nach B gelangen, sondern unterwegs noch ein wenig Rennfahrerlis spielen. Der grosse Verkaufserfolg von stark übermotorisierten Autos lässt sich kaum anders erklären.

  • am 30.11.2017 um 20:39 Uhr
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    Der Autor hat möglicherweise übersehen, dass wir dann nicht mehr 4.6 Mio. Personenwagen brauchen, sondern vielleicht noch 1 Mio., die dann mehr Fahrten pro Tag machen.

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