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Synes Ernst: Spiel-Experte © cc

Der Spieler: Ein Kartenspiel mit lauter Zwickmühlen

Synes Ernst. Der Spieler /  Wer Zweierspiele mag, kommt bei «Mandala» voll auf die Rechnung. Anspruchsvolles Sammeln von Karten mit originellem Ablagesystem.

Wenn Ihr esoterisches Herz beim Anblick eines Spiels namens «Mandala» ein wenig schneller schlägt, muss ich Sie gleich enttäuschen bzw. warnen: Zum Meditieren eignet sich dieses taktische Kartenablege- und -sammelspiel für zwei Personen überhaupt nicht. Die beiden Autoren und der Grafiker haben zwar einige Elemente aus der Welt der Mandalas übernommen, so bei der Gestaltung des Spielplans und der Illustration der Karten. Auch im Ablauf lässt sich ein Grundmuster erkennen, das man vor allem bei den traditionellen Sandmandalas findet: Zuerst baut man – hier mit Karten, dort mit Sand – ein Bild auf, anschliessend wird dieses weggewischt oder aufgelöst. Werden und Vergehen, ein Symbol für die Vergänglichkeit des Lebens, würde man als Mandala-Kennerin oder -Kenner sagen. Für solche Gedankengänge eignet sich unser «Mandala» jedoch nicht, als Herausforderung für unsere taktischen Fähigkeiten hingegen schon.

Beim Öffnen der quadratischen Schachtel bietet sich uns gleich eine Überraschung: Denn nicht ein gewöhnlicher Spielplan aus Karton liegt «Mandala» bei, sondern ein schön bedrucktes Geschirrtuch, was für mich gleich einen hohen Qualitätsanspruch signalisiert, zumindest mal in bezug auf die Ausstattung. Ob das auch für das Spiel selber gilt, wird sich noch weisen müssen. Wer möchte, dass die Karten absolut flach liegen, sollte den Spielplan vor Gebrauch jeweils bügeln. Ich empfehle dies besonders, wenn Spielertypen am Tisch sitzen, welche die Unart haben, jede Figur oder jedes Plättchen, das nur leicht schräg platziert ist, sofort zurechtzurücken.

Ablage auf dem Geschirrtuch

Im Prinzip legen wir in «Mandala» nach einfachen und leicht verständlichen Regeln Karten ab und sammeln sie anschliessend wieder ein mit dem Ziel, eine möglichst hohe Punktzahl zu erreichen. Die Ablage erfolgt auf dem bedruckten Geschirrtuch, auf dem zwei Mandalas abgebildet sind. Diese sind in drei Zonen unterteilt, je ein persönliches Feld für die beiden Spieler sowie das gemeinsame Zentrum. Wer an der Reihe ist, legt Karten aus seiner Hand entweder in sein eigenes Feld oder das Zentrum. Das gegnerische Feld ist für mich tabu. Beim Ablegen muss eine Grundregel eingehalten werden: Jede der sechs Farben darf nur in einem der drei Bereiche eines Mandalas vorkommen. Habe ich zum Beispiel eine grüne Karte in mein Feld gelegt, so kann mein Mitspieler weder in sein eigenes Feld noch ins gemeinsame Zentrum eine grüne Karte legen. Bereits ausliegende Karten darf ich jedoch mit Karten der gleichen Farbe ergänzen.

In meinem Zug habe ich drei Möglichkeiten: Entweder lege ich eine Karte ins Zentrum und darf dann bis zu drei Karten nachziehen. Ich kann aber auch beliebig viele Karten einer Farbe in mein Feld legen. Allerdings darf ich dann nicht nachziehen. Und schliesslich ist es möglich, beliebig viele Karten einer Farbe abzuwerfen und gegen neue zu tauschen. Sobald nach meinem Zug alle sechs Farben in einem Mandala vorhanden sind, kommt es zur Wertung. Wer mehr Karten in seinem Feld hat, räumt als erster alle Karten einer Farbe aus dem Zentrum ab und legt diese nach bestimmten Regeln in seinen Fluss bzw. seinen Kelch (man bemerke die Anlehnung an die Mandala-Welt). Anschliessend ist der andere Spieler dran, und so geht es abwechslungsweise weiter, bis das Zentrum leer ist. Die Karten aus den privaten Feldern wandern auf den Ablagestapel, eine nächste Runde beginnt. Besitzt ein Spieler in seinem Fluss von jeder Farbe eine Karte oder ist der Kartenstapel durchgespielt, folgt die Schlusswertung, bei der die Punkte nach einem sehr originellen Modus berechnet werden.

Eine Fülle taktischer Herausforderungen

Bereits in den ersten «Mandala»-Runden erkennt man die Fülle an taktischen Herausforderungen, die darin stecken. Denn rasch begreift man, dass man seine Karten nicht nach Belieben ablegen darf, sondern bei jedem Zug genau überlegen muss, ob das, was man tun will, auch zielführend sei. So einfach, wie es auf den ersten Blick scheint, ist das allerdings nicht. «Mandala» besteht nämlich aus lauter Zwickmühlen. So könnten Karten, die ich ins Zentrum lege, in der Wertung meinem Mitspieler zugute kommen. Das möchte ich vermeiden. Nur, wenn ich deswegen auf die Ablage ins Zentrum verzichte, könnte das zur Folge haben, dass dann bei der Wertung dort nur Karten liegen, die nicht oder nur halbwegs in meine Strategie passen. Erhöhe ich die Kartenzahl in meinem eigenen Feld, so steigere ich zwar die Chancen, dass ich bei der Wertung als Erster Karten aus dem Zentrum nehmen kann. Ob es dann aber wirklich gute Karten sind, ist gar nicht so sicher. Selbst die Möglichkeit, Karten zu tauschen, führt zu einem weiteren Dilemma: Will ich die Auswahl in meiner Hand verbessern, was impliziert, dass sich an der Auslage nichts verändert, oder verbessere ich die Auslage zu meinen Gunsten und nehme dafür vielleicht beschränkte Auswahlmöglichkeiten beim nächsten Zug in Kauf?

Die Bedeutung des Unberechenbaren

Kommt hinzu, dass der Zufall bei «Mandala» eine nicht unwesentliche Rolle spielt. So spiele ich zu Beginn mit jenen sechs Karten, die ich bei der Verteilung verdeckt bekommen habe. Auch beim Nachziehen muss ich die Karten nehmen, die verdeckt zuoberst auf dem entsprechenden Stapel liegen. Reiner Zufall also. Schliesslich werden in jedes neue Mandala zu Beginn je zwei zufällig gezogene Startkarten platziert, was mitunter zu unterschiedlichen Ausgangslagen für die beiden Spieler führen kann. Zuviel des Zufalls, monieren Taktik-Puristen, welche einen Spielverlauf von Anfang bis Ende im Griff behalten wollen. Ich hingegen gehöre zu jener Fraktion von Spielern, die Unwägbarkeiten mögen, wie sie «Mandala» enthält. Wie gehe ich mit solchen Zufällen um, die eine zusätzliche Herausforderung ins Spiel bringen? Das Unberechenbare macht das Spiel für mich noch spannender und emotionaler. Und es nimmt ihm die duellhafte Schärfe, die nicht selten taktischen Zweierspielen eigen ist, in denen Figuren einander gnadenlos bekämpfen, bis zum bitteren Ende. Das ist bei «Mandala» nicht der Fall, auch wenn beide Spieler den Sieg wollen und alles unternehmen, um diesen auch zu erringen.

«Mandala» eignet sich definitiv nicht zum Meditieren und Sinnieren. Ausser man zähle auch das Staunen dazu, das Staunen darüber, dass es immer wieder Spiele gibt, die sich trotz knappstem Regelbestand durch eine enorme Spieltiefe auszeichnen. «Mandala» ist eines dieser Spiele, unbedingt. Es gehört meiner Meinung nach in jede Sammlung empfehlenswerter taktischer Zweierspiele.
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Mandala: Taktisches Kartenablege- und -sammelspiel von Trevor Benjamin und Brett J. Gilbert für zwei Personen. Lookout Spiele (Vertrieb Schweiz: AGM AGMüller, Neuhausen am Rheinfall), Fr. 23.-


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied, in dieser Funktion nicht mehr aktiv an der Juryarbeit beteiligt.

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