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Synes Ernst: Spiel-Experte © cc

Der Spieler: Kampf gegen Zeit, Hindernisse und fiese Monster

Synes Ernst. Der Spieler /  Hektik und Stress pur: Wer das sucht, ist mit dem Echtzeitspiel «5-Minute Dungeon» bestens bedient – ein intensives Spielerlebnis.

Stolze 39 Franken für ein Kartenspiel, für ein Kartenspiel erst noch, das nur fünf Minuten dauert – ist das nicht total überrissen? Oder anders gesagt: Ein Spiel, für das derart viel verlangt wird, muss mit besonderen Qualitäten brillieren, um seinen Verkaufspreis zu rechtfertigen. Ist das bei «5-Minute Dungeon» der Fall?

Eine Warnung vorweg: Wer es am Spieltisch ruhiger mag, lasse die Hände lieber von «5-Minute Dungeon» und beschäftige sich stattdessen etwa mit einem Workerplacement-Spiel, bei dem alle nacheinander ihren Zug machen, ohne unter Zeitdruck zu stehen. Dieser Typ von Spieler fühlte sich in «5-Minute Dungeon»-Runden äusserst unwohl. Denn hier herrschen Hektik und Stress pur, das Spiel ist ein einziger Kampf gegen die Zeit. Innert fünf Minuten müssen wir unsere Aufgabe oder Herausforderung erfüllt haben. Sonst haben wir verloren. Der Titel des Spiels besagt alles.

Stressfaktor noch erhöhen

Ich hebe diesen zeitlichen Aspekt hervor, weil er den Spielablauf absolut dominiert. Alles, was wir in «5-Minute Dungeon» machen, erfolgt unter Zeitdruck. Man könnte den damit verbundenen Stressfaktor zusätzlich noch erhöhen, indem man statt eines lautlosen einen tickenden Timer oder aber die spezielle «5-Minute Dungeon»-App auf dem Smartphone verwenden würde. Karten aufdecken, die Aufgaben erkennen, sich gegenseitig absprechen, Karten ausspielen – gnadenlos vergeht die Zeit. Wer dies mag, kommt in den Genuss eines intensiven und spannenden Spielerlebnisses. Solche Intensität ist allen sogenannten Echtzeit-Teamspielen eigen, zu denen «5-Minute Dungeon» gehört. «Captain Sonar» oder «Magic Maze» sind andere Beispiele. Diese relativ neue Gattung zeichnet sich dadurch aus, dass es keine bestimmte Spielerreihenfolge gibt. Alle spielen gleichzeitig, was eine besondere Dynamik zur Folge hat. Und man ist ein Team, das nur gewinnen kann, wenn es als Gruppe funktioniert.

Worin bestehen in «5-Minute Dungeon» diese Herausforderungen? Die fünf Heldinnen oder Helden kämpfen sich innert der vorgegebenen Zeit durch ein Verlies durch. Am Ende erwartet sie ein Ungeheuer, das sie besiegen müssen. Im Verlies versuchen allerlei Geister und Monster, ihnen den Weg zu versperren. Zudem gilt es eine Menge Hindernisse zu überwinden. Das geschieht, indem man die passenden Karten ausspielt. Ein Beispiel: Stösst man auf eine eingestürzte Decke, müssen zwei «Schriftrollen» und ein «Schwert» gespielt werden. Jetzt ist das Hindernis beseitigt. Dem nun auftauchenden Timberwolf, einem Monster, geht es mit zwei «Schwertern» an den Kragen. Dabei ist es egal, ob die Karten von einem oder mehreren Spielern stammen. Die Hauptsache ist, dass die geforderten Karten ausgespielt worden sind. Das geht nicht, ohne dass man als Gruppe funktioniert und sich untereinander abspricht. Das ist im Unterschied etwa zu «Magic Maze» in «5-Minute Dungeon» erlaubt.

«Heilige Handgranate» überwindet alles

Die einzelnen Helden besitzen unterschiedliche Fähigkeiten. So kann der Zauberer ein Time-Out verlangen und die Zeit einfrieren. Damit bekommen wir als Spieler Gelegenheit, um miteinander das weitere Vorgehen zu besprechen. Zudem kann der Magier mit der Karte «Magische Bombe» jedes Hindernis aus dem Weg schaffen. Falls einem Mitspieler die Karten ausgehen, besorgt ihm die Jägerin mit der Karte «Heilkräuter» Nachschub, sofern sie die Karte im entscheidenden Moment zur Hand hat. Besonders stark sind der Paladin oder sein weibliches Pendant, die Walküre. Ihre «Heilige Handgranate» überwindet jede Bedrohung inklusive der bösen Bosse, die wir normalerweise nur besiegen können, wenn alles stimmt – die Kooperation in der Gruppe, Taktik und bis zu einem gewissen Grad auch das Kartenglück.

Einstieg und Spielablauf im aufwendig und themengerecht gestalteten «5-Minute Dungeon» sind relativ einfach. Es empfiehlt sich in jedem Fall, als «Lehrling» zu beginnen und sich dann über den «Helden» zum «Dungeon-Master» emporzuarbeiten. Die meisten Gruppen bestehen die Abenteuer nicht auf Anhieb. Vielleicht hapert es noch mit der Kooperation und der gegenseitigen Abstimmung oder niemand hat passende Karten zur Hand. Im schlimmsten Fall kann sogar eine «Plötzliche Krankheit» die Gruppe ausser Gefecht setzen (was der Magier mit der entsprechenden Karte hätte verhindern können, sofern er sie gerade zur Hand gehabt hätte…). Wer «5-Minute Dungeon» spielt, lernt mit der Niederlage leben, aber er erfährt auch, dass jedes Spiel eine neue Chance bietet und damit die Hoffnung auf den Sieg.

Ich komme auf die Einstiegsfrage zurück: Ist «5-Minute Dungeon» seinen Preis wert? Er ist zwar hoch (das rührt auch daher, dass in der Schweiz Spiele generell viel teurer sind als in Deutschland). Man bekommt dafür aber einen echten Gegenwert in Form eines höchst intensiven Spiel- und Teamerlebnisses mit viel Spannung und Emotionen – und mit der Lust auf mehr.

5-Minute Dungeon: Kooperatives Echtzeitspiel mit Karten von Connor Reed für 2 bis 5 Spielerinnen und Spieler ab 8 Jahren. Kosmos Spiele (Vertrieb Schweiz: Lemaco SA, Ecublens), Fr. 39.-


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied, in dieser Funktion nicht mehr aktiv an der Juryarbeit beteiligt.

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Spielen macht Spass. Und man lernt so vieles. Ohne Zwang. Einfach so.

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