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In den USA konsumieren immer mehr Jugendliche nikotinhaltige E-Zigaretten. © pixabay

Behörde verlangt interne Dokumente von E-Zigaretten-Herstellern

Tobias Tscherrig /  E-Zigaretten sind bei Jugendlichen in den USA, die vorher nicht geraucht haben, sehr beliebt. Die Behörden künden Massnahmen an.

Vor rund einem Jahr wollte der US-Kongress die Hersteller von E-Zigaretten verpflichten, zu beweisen, dass ihre Produkte eine sichere Alternative zu herkömmlichen Zigaretten sind. Ein Einschnitt, der die grossen Tabakkonzerne hart getroffen hätte. Gleichzeitig geht es um die Frage, ob auch viele Nichtrauchende zur E-Zigarette greifen.

«Altria», «Britsh American Tobacco», «Imperial Tobacco», «Philip Morris International», «Reynolds American»: Die grossen Namen der Tabakindustrie produzieren in der Zwischenzeit alle auch E-Zigaretten. Damit haben sie einen lukrativen neuen Markt entdeckt. Im Jahr 2017 wuchs dieser in den USA um 40 Prozent und ist nun rund 1.16 Milliarden US-Dollar schwer.

Diesen Markt wollten sich die US-Tabakkonzerne nicht beschneiden lassen und argumentierten, sie könnten bei einer sofortigen Gesetzeseinführung aus Kostengründen keine neuen Produkte mehr einführen, die Erwachsenen dabei helfen würden, mit dem Rauchen aufzuhören. Damit dieses Argument auch gehört wurde, investierten sie gemäss der Non-Profit-Organisation «Center for Responsive Politics» rund 22 Millionen US-Dollar in Lobbying. Die Investition zahlte sich aus, die US-Behörden gewährten den Tabakkonzernen eine Schonfrist von fünf Jahren. Erst danach müssen sie den Beweis antreten, dass E-Zigaretten tatsächlich weniger gesundheitsschädigend sind als herkömmliche Zigaretten.

Behörden ziehen die Schraube an
Nach diesem Entgegenkommen der Behörden stehen die Zeichen für die US-Tabak- und Dampfindustrie wieder auf Sturm. So kündigte die US-Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde (FDA) im April an, dass sie nun doch hart gegen die Hersteller von E-Zigaretten durchgreifen wolle. Dies, um gegen die Beliebtheit von E-Zigaretten bei Jugendlichen anzukämpfen.

Eigentlich ist der Verkauf von E-Zigaretten an Minderjährige in den USA streng verboten. Trotzdem erhalten sie die Produkte – sei es im herkömmlichen Handel oder per Online-Bestellung. Deshalb führte die FDA Testkäufe an verschiedenen Verkaufsstellen durch und musste nur wenige Tage nach dem Start bereits rund 40 Verkaufsstellen schriftlich verwarnen.

Die Testkäufe sind gemäss einer Mitteilung der FDA nur ein Teil eines neuen Plans, der die Prävention von Jugendlichen zum Ziel hat. Der Präventionsplan bekämpft zum Beispiel auch die Vermarktung von E-Zigaretten an Jugendliche.

Der Sonderfall «Juul»
Die FDA geht aber noch weiter und verlangt vom Hersteller «Juul Labs» die Herausgabe von firmeninternen Dokumenten. Im Fokus stehen vor allem Unterlagen zur Marketingstrategie des Unternehmens, Rapporte über die anvisierten Zielgruppen, Berichte über Wettbewerbe und Gewinnspiele sowie toxikologische und weitere Forschungsberichte. Auch Informationen über das Produktdesign und über das Suchtpotenzial der Dampfgeräte sollen herausgegeben werden.

Damit will die FDA klären, ob «Juul Labs» gezielt auf den Verkauf an Jugendliche setzt, obwohl das Unternehmen in der Vergangenheit stets das Gegenteil behauptet hatte. Trotzdem wolle das Unternehmen mit den Behörden zusammenarbeiten, heisst es in einer Stellungnahme. «Der illegale Verkauf von unseren Produkten ist nicht akzeptabel», schreibt die Firma, die auf ihrer Internetseite prominent auf ihr Engagement bei der Jugendprävention hinweist.

Trotzdem sind die «Juul Labs»-Produkte bei den US-amerikanischen Jugendlichen zur beliebtesten E-Zigarette aufgestiegen. Und das, obwohl sie fast gleich viel Nikotin wie eine herkömmliche Zigarette freisetzen. Die Dampfgeräte gleichen einem USB-Stick und erhielten in den USA rasch den Spitznamen «I-Phone der E-Zigaretten». Sie produzieren nur wenig Dampf, weswegen amerikanische Schüler sie vermehrt während dem Unterricht konsumieren.

Gemäss «Monitoring the future» haben im letzten Jahr 19 Prozent der Zwölftklässler, 16 Prozent aller Zehntklässler und acht Prozent aller Achtklässler angegeben, bereits nikotinhaltigen Dampf konsumiert zu haben. Schulen aus allen Winkeln des Landes bemerkten das häufige Vorkommen von «Juul Labs»-Produkten, schrieben einen Brief an die FDA und lösten damit die Massnahmen der Behörde aus.

Den Hype um die Produkte von «Juul Labs», lässt beim Unternehmen die Kassen klingeln: Es gehört inzwischen zu den erfolgreichsten Anbietern von Dampfprodukten und steigerte seine Erträge im Jahr 2017 auf 224,6 Millionen US-Dollar. Im Oktober sagte das Unternehmen gegenüber dem Sender «CNBC», man könne mit der Nachfrage nicht mithalten.

Politik unter Druck
«Juul Labs» dürfte nicht das einzige Unternehmen bleiben, das mit der Forderung der FDA nach der Herausgabe von firmeninternen Dokumenten konfrontiert wird. Die Behörde kündigte an, ähnliche Massnahmen auch bei anderen führenden Herstellern von Dampfgeräten und Aromen durchzuführen.

Tabakgegner begrüssten den Entscheid des FDA, drängten die Behörde aber zu weiteren Massnahmen. Sie fordern ein Verbot von Dampfprodukten mit fruchtigen und süssen Aromen, die klar auf Jugendliche zielen würden. Auch die Logos der Hersteller, die denjenigen von bekannten Süssigkeitenherstellern gleichen, stehen in der Kritik. Weiter fordern Tabakgegner die Behörde auf, den Entscheid vom Juli zurückzunehmen und die fünfjährige Schonfrist für die Konzerne zu annullieren.

US-Tabakgegner bezeichnen die Dampfindustrie seit Langem als letzte Wiedergeburt der Tabakindustrie. Mit der Entwicklung und Bewerbung von neuen Produkten arbeite die Industrie gezielt daran, in der jungen Generation einen neuen Markt zu kreieren: Zuerst E-Zigaretten, dann richtige Zigaretten. Zwar erkannte die FDA an, dass E-Zigaretten auch positive Seiten haben, etwa wenn erwachsene Konsumenten von Tabak darauf umsteigen und so die Risiken für ihre Gesundheit zumindest ein Stück weit minimieren würden. Allerdings werde diese positive Seite davon überschattet, dass die Dampfgeräte Jugendliche dazu verleiten, nikotinhaltige Produkte zu konsumieren.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

EZigarette

E-Zigaretten: Vor- und Nachteile

Sie sind nützlich als Ausstiegshilfe für Raucher, aber schädlich als Einstiegsdroge für junge Nichtraucher.

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2 Meinungen

  • Portrait_Rainer_M_Kaelin
    am 23.05.2018 um 09:56 Uhr
    Permalink

    Vielen Dank für die sehr aktuelle Information. Sie zeigt, dass die auf dem Etterschen Credo beruhende Argumentation, wonach die E-zigarettenhersteller «Gegner» der Tabakindustrie wären , nicht stimmen kann : Die Promotionslogik der E-zigarette impliziert notwendig, dass eben die Jugend angepeilt wird, angepeilt werden muss. Denn Erwachsene Raucher primär zur Nikotinsucht und zum Gebrauch von Tabakzigaretten verführen zu wollen ist nicht zielführend noch, rentabel. Junge Gehirne sind für die Droge Nikotin empfänglichst , und bleiben ein Leben lang «angefixt» . Wenn dies geschehen ist, ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann die Nikotinsüchtigen zum «real thing» greifen werden, d. h zu Tabakzigarette, welche bei weitem das Nikotin am schnellsten und effizientesten den «Belohnungs-zentren der Gehirne von Erwachsenen wie Jugendlichen zugänglich macht. Die «Markt-logik» von E-zigaretten herstellern und Tabakzigarettenhändlern ist dieselbe : Man muss die Droge Nikotin banalisieren, und möglichst dafür sorgen, dass deren Vertrieb nicht eingeschränkt wird. Zu hoffen wäre, dass diese Einsicht auch unsere Parlamentarier haben werden, die über ein Tabakproduktegesetz zu befinden haben, das die Werbung, Promotion und Sponsoring von Tabak und Nikotinproduktes gesamthaft verbieten muss, wenn ein effektiver Jugendschutz das Ziel des Gesetzes sein soll (was unsere Parlamentarier, mit dem Hand auf dem Herzen immer wieder behaupten). Rainer Kaelin FMH Innere Medizin und Pneumologie. Etoy

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