Kommentar

kontertext: «Es ist offiziell»

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsMatthias Zehnder ist freier Publizist, Medienwissenschaftler und Berater (Medienkonzeption) in Basel. Er ist Vorstandsmitglied der SRG ©

Matthias Zehnder /  Wie eine Wendung sich selbst disqualifiziert.

Sie kennen die Einleitung sicher: «Jetzt ist es offiziell», melden vor allem Onlinemedien gerne, um der folgenden Nachricht mehr Gewicht (und mehr Glaubwürdigkeit) zu verleihen. Besonders beliebt ist die Floskel, wenn es um Wechsel von Fussballspielern geht: «Jetzt ist es offiziell: Breel Embolo (22) wechselt vom FC Schalke 04 zu Borussia Mönchengladbach» schreibt zum Beispiel «Sky Sport» Ende Juni. Der «Blick» weiss: «Jetzt ist es offiziell. Meghan, Harry, William und Kate trennen sich.» Und das «Oltner Tagblatt» ist sicher: «Jetzt ist es offiziell: Ländiweg und Winkelunterführung sind die Angst-Hotspots». Ich meine, es ist offiziell: «Es ist offiziell» ist die dümmste Floskel, die ein Medium verwenden kann und ich sage Ihnen auch, warum das so ist.

Besonders häufig findet sich die Wendung in Meldungen zu Wechseln im Fussball. So schreibt der «Tages-Anzeiger» am 19. Juni über den Wechsel von Mats Hummels nach Dortmund: «Jetzt ist es offiziell: Der deutsche Innenverteidiger schliesst sich seinem ehemaligen Verein an.» «Sky Sport» jubelt: «Jetzt ist es offiziell: Frank Lampard ist der neue Cheftrainer vom FC Chelsea» und «Nau.ch» seufzt: «Jetzt ist es offiziell. Ruben Vargas verlässt den FC Luzern und wechselt in die Bundesliga».
Die Einleitung suggeriert, dass das Gemeldete offiziell ist, also amtlich, von einer Behörde, einer Dienststelle bestätigt und daher glaubwürdig. So definiert jedenfalls der Duden das Wort «offiziell». Damit eine Handlung wirklich amtlich und damit offiziell ist, braucht es klare Regelungen. So erklärt Marco Greiner, Regierungssprecher des Kantons Basel-Stadt auf Nachfrage, dass «nur Handlungen und Verlautbarungen offiziell sind, die Angestellte des Kantons im Rahmen der ihnen per Gesetz und per Beschluss des Amtes übertragenen Aufgaben verrichten». Anzeichen dafür, dass etwas als offiziell gelten kann, sind zum Beispiel das offizielle Briefpapier, ein behördlicher Stempel oder «wenn die handelnde Person eine Uniform an hat oder hinter einem Schalter in einem Gebäude des Kantons steht oder, wie ich jetzt, jemandem über einen E-Mail-Account des Kantons Auskünfte gibt». Mit anderen Worten: Diese Antwort von Marco Greiner ist offiziell.
Selbst der Regierungsrat handelt nur dann offiziell, wenn die Handlungen und Kommunikationsakte offiziell ihm zugerechnet und ausdrücklich per Regierungsratsbeschluss legitimiert sind. Greiner nennt etwa die Stellungnahme im Rahmen einer eidgenössischen Vernehmlassung oder den Auftritt eines Regierungsmitglieds an einer Veranstaltung im Namen des Regierungsrates. Sichtbar für Dritte werde das zum Beispiel an der Unterschriftenregelung, dass Schreiben des Regierungsrates immer zu Zweien durch die Präsidentin und die Staatsschreiberin unterzeichnet werden müssen.
Korrekt verwendet die «Limmattaler Zeitung» die Redewendung hier: «Jetzt ist es offiziell: Die Zürcher Regierung erklärt Fabian Molina zum Nationalrat». Der Zürcher Regierungsrat hat nämlich kraft seines Amtes Kantonsrat Fabian Molina (SP) als Nationalrat für gewählt erklärt – Molina ist nach dieser Erklärung offiziell Nationalrat und tritt die Nachfolge von Tim Guldimann an.
Doch solche Beispiele sind rar. Der Normalfall sind Meldungen wie die hier: «Jetzt ist es offiziell. Seit Monatsbeginn ist Christian Löer neuer Marketing Direktor bei Jaguar Land Rover Deutschland.» Unglaublich. Wenn wir das nicht erfahren hätten… Oder hier: «Jetzt ist es offiziell: Der derzeitige Chef der Wirbelsäulen-Chirurgie wird ärztlicher Direktor der Uniklinik Balgrist.» Wow. Ganz zu schweigen von: «Es ist offiziell: Rihanna bringt ihre eigene Dessous-Kollektion auf den Markt.» Endlich. Was sind wir erleichtert.
Nun kann man einwenden, dass es einfach ist, sich über halbseidene PR-Meldungen lustig zu machen. Aber auch seriöse Zeitungen wie die «NZZ» pflegen den «Jetzt ist es offiziell»-Duktus. Zum Beispiel schrieb die «NZZ» am 6. Februar 2019: «Jetzt ist es offiziell: Bei der kommenden Oscar-Verleihung wird es erstmals seit drei Jahrzehnten keinen Moderator geben.» oder titelte am 13. September 2017: «Jetzt ist es offiziell: Paris trägt Olympia 2024 aus, Los Angeles 2028». Und die «NZZ» ist nicht die einzige Zeitung, die dem Offiziell-Virus erlegen ist.
Was sollen diese «offiziell»-Wendungen? Sonst machen die Medien doch gerne einen grossen Bogen um Offizielles. Wenn die «Hessenschau» schreibt: «Es ist offiziell: Niko Kovac verlässt Eintracht Frankfurt zum Saisonende und wird Cheftrainer beim FC Bayern», dann suggeriert sie: Wir haben es natürlich schon lange gewusst. Aber jetzt ist es verbrieft. Wobei: Nicht einmal Nico Kovac selbst wusste lange vorher, dass er der neue Trainer des FC Bayern-München werden soll. Die «offiziell»-Wendungen stellen damit auch eine Art Komplizenschaft zwischen Zeitung und LeserIn her: Wir beide, wir haben es ja (dank unserer hervorragenden Information) schon lange gewusst – jetzt ist es offiziell und jetzt wissen es auch alle anderen.
Die «offiziell»-Wendungen sollen einer Meldung zudem wohl besonderes Gewicht und Glaubwürdigkeit verleihen. Der Effekt ist aber kontraproduktiv: Wenn eine Zeitung anschreiben muss, dass eine Meldung «offiziell», also besonders glaubwürdig, weil bestätigt ist, dann ist der Normalfall bei dieser Zeitung wahrscheinlich das Gegenteil: unglaubwürdige Mutmassungen und Gerede. «Es ist offiziell» ist damit ein Merkmal für einen emotionalen Aufregungsjournalismus, der gehetzt jedes Gerücht meldet und die Aufregung, wenn das Ereignis (endlich, endlich!) eintritt, ungefiltert mit seinen Leserinnen und Lesern teilt. Kurz: «es ist offiziell» entlarvt eine Zeitung als «Bravo» für Erwachsene.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Matthias Zehnder ist freier Publizist, Medienwissenschaftler und Berater (Medienkonzeption) in Basel. Er ist Vorstandsmitglied der SRG Region Basel und betreibt unter www.matthiaszehnder.ch einen Medienblog.

    Unter «kontertext» schreibt eine externe Gruppe Autorinnen und Autoren über Medien und Politik. Sie greift Beiträge aus Medien auf und widerspricht aus politischen, journalistischen, inhaltlichen oder sprachlichen Gründen. Zur Gruppe gehören u.a. Bernhard Bonjour, Rudolf Bussmann (Redaktion, Koordination), Silvia Henke, Mathias Knauer, Guy Krneta, Robert Ruoff, Alfred Schlienger, Felix Schneider, Linda Stibler, Ariane Tanner, Rudolf Walther, Matthias Zehnder.

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3 Meinungen

  • am 17.07.2019 um 09:42 Uhr
    Permalink

    Sehr schöner Artikel! Vielen Dank dafür!
    Er zeigt eindrücklich und einleuchtend auf, wie sehr die Sprache missbraucht wird und wie wenig Wert leider heute viele Menschen darauf legen.
    Ein einzelnes Wort, eine Floskel, achtlos oder ganz bewusst verwendet, hat eine enorme Macht, viel mehr als dies heute viele Menschen wahrhaben wollen.
    Umso wichtiger ist es, dieses wertvolle Gut zu pflegen, bedacht und achtsam damit umzugehen. Und dazu helfen Artikel wie dieser!
    Nicht umsonst heisst es: Die Feder ist Mächtiger als das Schwert! Nach meiner Meinung eben genau nicht ausschliesslich bezogen auf Propaganda und Falschinformation, sondern auf die Feinheiten der Sprache und der dahinter stehenden Botschaften.
    Im übrigen in gleicher Weise anwendbar auf die Gedanken und der notwendigen Psychohygiene, seine Gedanken zu kontrollieren. 🙂

  • am 17.07.2019 um 16:18 Uhr
    Permalink

    Für mich stand hinter offiziell, das lat. officium und das engl. Substantiv office,
    in Kombination mit Büro.
    Das in der Bedeutung aus einem Büro und einer Büro-kratie.
    Weshalb auch immer, gab es für mich Bürokratie nicht nur in staatlichen Institutionen, sondern auch in Unternehmen und Vereinen. Vielleicht lag es daran, weil mein Vater oft über die Bürokratie im Unternehmen geschimpft hat, in dem er angestellt war.
    Von der mir damals nahestehenden Schule bekam ich mein Zeugnis und ab dem Moment waren meine Noten für meine engere Umgebung eine vertauenswürdige
    -Tatsache-.
    Die offizielle -Definition- im Duden ist in zwei Punkten fragwürdig :
    – Trifft die Verengung auf eine -staatliche- Institution zu oder wäre es allgemein eine Institution, mit ihren jeweiligen bürokratischen Regelungen, Prüfungen und Unterschriften, die etwas dokumentiert der Öffentlichkeit bekannt geben ?
    – Stimmt die -AN-Haftung von Glaube- oder ist offiziell etwas worauf man zu Recht
    vertrauen kann ?
    (Hannah Arendt wurde mal gefragt, ob sie AN Gott glaubt ? – Antwort: Nein …..
    ich vertraue IN Gott.)

  • am 19.07.2019 um 12:29 Uhr
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    Bei Duden liest man noch eine zweite Bedeutung von offiziell: förmlich. Und das bezieht sich ohne weiteres auch auf Unternehmen oder (Fussball-)vereine.
    Die Mitteilung, dass der Wechsel des Fussballers xy nun offiziell sei, weil der Verein das förmlich bestätigt hat (im Gegensatz zu Gerüchten «aus nahestehenden Kreisen» zB) ist damit nicht nur sprachilch, sondern auch inhaltlich korrekt und trägt sogar tatsächlich einen sinnvollen Informationswert.

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