Kommentar

«Tagi» jubelt Trump hoch – NZZ zeigt, wie er lügt

Niklaus Ramseyer ©

Niklaus Ramseyer /  Die «SonntagsZeitung» will «von Donald Trump lernen» – die «NZZ am Sonntag» kritisiert die Lügen des US-Präsidenten.

«Was die Welt von Donald Trump lernen kann», las die verwunderte «Tagi»-Leserschaft in grossen Lettern auf der Kommentarseite der neusten «SonntagsZeitung» (SoZ) vom 26. Januar, die das Zürcher Haus Tamedia (neuerdings TX-Group) den AbonnentInnen seiner Blätter (von der «BernerZeitung» über den «Bund» und die «ZürichseeZeitung» bis zurück zum «Tagi» in Zürich) zum Sonderpreis liefert. Der US-Präsident nämlich sei «der einzige Politiker, der Optimismus versprühen und Menschen bewegen kann». Seine Rede am WEF in Davos sei «geradezu erfrischend» gewesen. Denn Trump sei: «Endlich einer, der voller Selbstbewusstsein und Entschlossenheit nach vorne blickt.»
Wohingegen etwa die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU), welche die Menschheit vor der «Überlebensfrage» sieht, oder die Schweizer Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (SP), die in Davos gewarnt hat: «Die Welt brennt!», nur einstimmten in ein trauriges «Panikorchester» in dem «die Lust an der Apokalypse immer grösser» werde. Dabei möchten doch die Menschen dieses «ewige Lamento nicht mehr hören». Zu Recht nicht, verkündet die «SonntagsZeitung». Denn: «Es geht uns so gut wie nie, Wohlstand und Lebenserwartung steigen, Gleichberechtigung und Menschenrechte sind weltweit auf dem Vormarsch, gleichzeitig gehen Krieg, Terror und Armut stetig zurück.» Kurzum: Nicht von Merkel oder von Sommaruga könne die «Welt lernen», sondern von Donald Trump und seinem «ansteckenden Positivismus» und seiner «klugen Zuversicht».

NZZ: Trump «log von der besten Luft in seinem Land»
Manche «Tagi»-Leserin mag sich ob derlei (unkritischer bis Klimawandel-leugnerischer) Lobhudelei die Augen gerieben haben: Man ist sich sonst solches ja eher von der stramm kapitalistisch-rechten Konkurrenz namens NZZ gewohnt. Das ehemals freisinnige und nun nur noch neoliberale Zürcher Blatt kann meist jeden (Twitter)-Blödsinn aus dem Weissen Haus und fast alle noch so erpresserischen bis gewalttätigen «Interventionen» (wie die üblen US-Kriege da beschönigend heissen) «Amerikas» weltweit geschliffen erklären. Trump-Versteher und Verehrer der USA sitzen in Zürich jedenfalls meist an der Falkenstrasse hinter NZZ-Schreibtischen und kaum je in den «Tagi»-Büros an der Werdstrasse.
Doch siehe da: Auf der Seite «Meinungen» der «NZZ am Sonntag» konnte die «Tagi»-Kundschaft gleichentags ganz anderes lesen: Kein Lob auf Trumps «kluge Zuversicht», von der «die Welt lernen» könne. Ganz im Gegenteil: Kritisiert wurde in der NZZ «das veraltete, aber trotzdem immer noch mächtige Männlichkeitsideal, das Donald Trump verkörpert». Der militärisch mächtige (und mitunter privat und weltweit gewalttätige, Anm.d.Verf.) Mann im Weissen Haus stehe «für einen Individualismus, der sich auf Privilegien ausruht und sich nichts sagen lässt». Das habe sich eben gerade am WEF in Davos «beispielhaft» gezeigt: «Auf der einen Seite inszenierte sich Donald Trump als Wunderwaffe für Wirtschaftswachstum, log von der besten Luft in seinem Land und versprach Bäume zu pflanzen.» Auf der anderen Seite Greta Thunberg, die sich wie «auffallend viele Frauen» für den Schutz des Klimas einsetze.
«Konservative Männer mit Hohn und Spott»
Die NZZ hält in dieser klugen Analyse fest: «Die Klimakrise hat ein Geschlecht. Sowohl die Opfer, als auch der Kampf für Klimaschutz sind mehrheitlich weiblich.» So zeigten Untersuchungen, dass «bei Naturkatastrophen, die mit der Klimaerwärmung zunehmen werden, mehr Frauen als Männer sterben». Und nicht zufällig seien «die Galionsfiguren» der Klimabewegung allesamt Frauen.
Umgekehrt seien «Männer in Sachen CO2-Emissionen führend, wie die ETH für die Schweiz ausrechnete, nicht nur weil sie mehr verdienen, sondern auch weil sie weniger umweltbewusst leben». Oft zeigten sich diese Männer dann auch noch uneinsichtig und frech: Vorab Trump sei «der Mann und Machtpolitiker, der verbal zum Spaten greift, gegen die Frau und Kämpferin für die Sache, die auf mütterliche Fürsorge pocht». Wie auch sonst «auffallend viele Männer die Aktivistinnen mit Hohn und Spott überhäufen».
SoZ «lernt von Trump» – lügen und Fake News
Als ob es für diese gescheiten Darlegungen einer Frau, der Chefin Magazine bei der «NZZ am Sonntag», Nicole Althaus, noch eines Beweises bedurft hätte, arbeitete einer dieser «auffallend vielen Männer» nicht weit von ihrem NZZ-Büro entfernt in der Chefredaktion der «SonntagsZeitung» gerade an einem weiteren üblen Stück solchen «Hohns und Spotts»: Andreas Kunz, Redaktionsleiter und Trump-Bewunderer, ist der Verfasser des eingangs zitierten SoZ-Kommentars.
Dabei zeigt sich, dass zumindest er selber vom «Mental Giant» Trump im Weissen Haus in punkto Argumentations-Niveau schon gelernt hat: Die Klimadebatte komme ihm vor wie die Diskussionen zwischen Trainer und Spielern «früher bei den Fussball-Junioren», verrät Kunz. Und er verbreitet ebenso munter Lügen und Fake News wie sein Vorbild ennet dem Atlantik: Nicht nur behauptet er keck, es gehe uns «so gut wie nie». Und pocht (blind für den längst erkannten, desaströsen Ressourcenverschleiss) auf die «spektakuläre Erfolgsgeschichte der Menschheit». Er suggeriert auch noch bösartig, die Warnerinnen vor der Klima- und Umweltkatastrophe seien mit verantwortlich für «die Polarisierung der Gesellschaft» und sogar für «Hass in den sozialen Medien».
«Hoffnung schöpfen» mit 700 Milliarden für Krieg und Zerstörung?
Wenn Kunz zudem Trump als leuchtendes Beispiel sieht für «Menschen, die mitreissen, die Chancen sehen und Hoffnung schöpfen», dann ist das nicht nur falsch und dümmlich, sondern sehr zynisch: Der Mann an der Spitze der selbsternannten Welt-Führungsmacht USA hat das irrwitzige Budget für seine weltweit Tod und Zerstörung verbreitende Kriegsmacht auf weit über 700 Milliarden Dollar im Jahr erhöht. Er missachtet internationale Gesetze und Regeln und oft gar jegliche Vernunft, er erpresst, droht und lässt morden. Gravierende Klima- und Umweltprobleme, wie sie die Welt nun bedrohen, leugnet Trump faktenblind und stur.
Aber selbst dort, wo Kunz meint sein Ohr besonders nahe an den Sorgen der Menschen («die das ewige Lamento nicht mehr hören mögen») zu haben, fabuliert er gegen Fakten. Gestützt auf eine fundierte Erhebung stellt jedenfalls die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ) gerade fest, dass immer mehr Menschen sich eher Sorgen machen wie Greta Thunberg, als dass sie einem «ansteckenden Positivismus» vertrauen, wie ihn Trump und Kunz «geradezu erfrischend» verbreiten wollen: «Nur noch jeder achte Deutsche (12 Prozent) glaubt, dass er von einer wachsenden Wirtschaft profitiert», hält das Blatt fest. «Viele blicken pessimistisch in die Zukunft. Mehr als die Hälfte (55 Prozent) ist der Meinung, dass der Kapitalismus in seiner jetzigen Form mehr schadet als hilft.»
Gut möglich, dass wir über diese breite Zustimmung zu Gretas Aufruf «System Change not Climate Change!» bald auch eher in der NZZ lesen können, als in den «Tagi»-Blättern.


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6 Meinungen

  • am 28.01.2020 um 12:22 Uhr
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    Es scheint, Herr Ramseyer, Sie sind etwas blind auf dem linken Auge. Von den blatanten Lügen der Demokraten und der hohen Zahl an extra-rechtlichen Tötungen während der Präsidentschaft von Obama habe ich aus Ihrer Feder kein Wort gelesen.
    Um Wahrheit und Rüstungsfragen geht es Ihnen offenbar gar nicht.

  • am 28.01.2020 um 15:55 Uhr
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    Was in den Medien alles über die Amtsenthebung von Trump geschrieben wird …

    Über die von OPCW-Whistleblower in Wikileaks veröffentlichen Berichte findet man nichts, obwohl dies im Rest der Welt ein Thema ist
    siehe https://wikileaks.org/opcw-douma/

  • am 28.01.2020 um 16:07 Uhr
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    Ich habe mit Redaktor Andreas Kunz auch schon (per Mail) die Klingen gekreuzt. Er scheint von Trump tatsächlich schon gelernt zu haben. Auf die Zustellung der Sonntagszeitung habe ich inzwischen verzichtet.

  • am 28.01.2020 um 20:57 Uhr
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    Ich habe zwar beide Kommentare nicht gelesen, sie scheinen mir jedoch hinreichend klar beschrieben, dass ich es wage, auf sie gestützt eine Frage zu formulieren: Ausgehend von der Vermutung, dass Herr Kunz kaum aus reiner Überzeugung für Trump schwärmt und gegen die Klimaaktivisten lästert – irgend eine Absicht muss wohl dahinterstecken, vielleicht der Versuch, in bisher fremden Gewässern zu fischen, um die sinkenden Abonnentenzahlen zu kompensieren?

  • am 29.01.2020 um 14:08 Uhr
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    In einem haben Sie Recht, Herr Heim: Die Präsidentschaft Obama hielt nicht, was sie versprochen hat: Guantanamo und die Drohneneinsätze bleiben Schandflecke. Immerhin: Die Gesundheitsreform und Fortschritte in der Umweltpolitik hat Obama realisiert. Genau hier zeigt sich die desaströse Demontagepolitik Trumps (Angriffe auf die Gesundheitsreform, Kündigung internationaler Abkommen zur Begrenzung der klimaschädlichen Emissionen usw.). Dazu kommt die hemmungslos gesteigerte Aufrüstung, die Aufkündigung des Atomdeals mit ihrer destabilisierenden Wirkung auf den ganzen Nahen Osten, die einseitige Parteinahme für das korrupte Regime Netanyahu (s. den neusten «Nahostplan"). Das alles sind wohl für SIE keine Zeilen wert!?

  • am 29.01.2020 um 16:54 Uhr
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    Die schleichende Veränderung im Hause Tamedia (mit dem neuen «modernen» Namen TX-Group) zum Gefälligkeitsjournalismus, der Hofberichterstattung und des Boulevards ist mir schon länger aufgefallen. Wen wundert’s aber, scheint doch das Streben nach Gewinn zum ausschliesslichen Ziel des Konzerns geworden zu sein. Und so geht/gehen die nächste Zeitung/en darnieder. Man liest sie immer weniger, bis man sie irgendwann gar nicht mehr liest.
    Man merkt das auch an der Auswahl der Kommentare unter den Artikeln: Die rechte Seite darf sich ziemlich viel erlauben bis hin zur offensichtlichen Lüge und wer dagegen schreibt, der muss Glück haben, dass sein Beitrag überhaupt durch dieses undurchsichtige Zensursystem kommt. Die Diskussionen scheinen gelenkt, nicht ausgewogen.

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