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Marine Le Pen hat nichts mehr zu lachen: Ihrer Partei scheint das Geld auszugehen © Grégory ROOSE/Pixabay

Russen bringen Le-Pen-Partei in die Bredouille

Tobias Tscherrig /  Die französische Partei «Rassemblement National» zahlte einen Kredit nicht zurück. Nun zieht der russische Gläubiger vor Gericht.

«Rassemblement National» (RN), die französische Nachfolge-Partei des rechtsextremen «Front National», sorgt immer wieder für negative Schlagzeilen. Seit die heutige Parteivorsitzende Marine Le Pen 2011 ihren Vater, den rechtsextremen Politiker und Holocaustleugner Jean-Marie Le Pen, an der Parteispitze abgelöst hat, will sie die Parteimitglieder von der Abkehr von Rassismus und Antisemitismus überzeugen und ihre Partei als Kraft der rechten Mitte positionieren. Mit überschaubarem Erfolg. Viele Parteimitglieder halten noch immer an den alten Positionen fest und bedienen sich rassistischer und rechtsextremer Argumentationen.

Steht Le Pens Partei nicht wegen ihren Inhalten in den Schlagzeilen, dann wegen Geldproblemen und dubiosen russischen Verbindungen. Aktuell steht RN mit dem Rücken zur Wand: Die Partei steckt in grossen finanziellen Schwierigkeiten. An sich ist das nichts Neues, der Partei fehlt seit Jahren Kapital. Was sich geändert hat, ist die Dringlichkeit: RN hat es verpasst, einen russischen Kredit in der Höhe von 9,4 Millionen Euro rechtzeitig zurückzuzahlen. Um das Geld einzutreiben, hat der Gläubiger nun rechtliche Schritte unternommen.

Es droht der Fall ins Bodenlose
Der Kredit über 9,4 Millionen Euro ist nur die Spitze des Eisberges. Auch ohne die Rückzahlungsforderung sind die Kassen der Partei leer. So ist RN bereits gezwungen, dem Gründer der Vorgängerpartei, Jean-Marie Le Pen, 4,2 Millionen Euro zurückzuzahlen, die dieser für den letzten Präsidentschaftswahlkampf geliehen hatte.

Der russische Kredit über 9,4 Millionen Euro, den RN nun zurückzahlen soll, könnte der Partei den Todesstoss versetzen. Im September 2014 unterzeichnete RN einen Vertrag über 9,4 Millionen Euro und stimmte auch dem happigen Zinssatz von sechs Prozent zu. Als endgültiger Rückzahlungstermin wurde der 23. September 2019 festgelegt. Der Tag verstrich und RN blieb die vollständige Rückzahlung des Betrags schuldig. Gemäss französischen Medienberichten reichte der Gläubiger, die russische Luftfahrtgesellschaft Aviazapchast, am 10. Dezember bei einem Gericht Klage ein, «um den unbezahlten Kredit einzutreiben». RN wurde am 25. Dezember informiert, die Anhörung findet am 2. Juni 2020 statt.

Wie RN-Schatzmeister Wallerand de Saint-Just gegenüber dem französischen Online-Portal «mediapart» sagte, sei die Beziehung zum Gläubiger «korrekt». Aviazapchast sei gezwungen gewesen, das Verfahren einzuleiten, um eine Reihe von «Verpflichtungen gegenüber den russischen Behörden zu erfüllen». Ohne Details zu nennen, sagte de Saint-Just, seine Partei habe bereits «einen Teil» des Geldes zurückgezahlt. Man werde den Betrag vollständig bezahlen, diese Absicht sei immer vorhanden gewesen.

Russische Einmischung in französischen Wahlkampf?
2014 handelten Marine Le Pen und ihr Vater zwei russische Kredite über den Gesamtbetrag von mehr als 11 Millionen Euro aus: 9,4 Millionen gingen an den damaligen Front National. Cotelec, die Mikropartei von Jean-Marie Le Pen, erhielt zwei Millionen Euro. Im Hinblick auf den Präsidentschaftswahlkampf 2017 setzte der damalige Front National seine Suche nach einer Geldquelle in Moskau fort. Im Juni 2016 unterzeichnete Marine Le Pen bei einer russischen Bank einen dritten Kreditantrag über drei Millionen Euro.

Diese Gelder, die zur Finanzierung der Wahlkampagnen des Front National bestimmt waren, warfen viele Fragen auf. Fragen über die russische Einmischung in einen französischen Wahlkampf. Fragen über das zweifelhafte Profil der Personen, die den Kredit vermittelt hatten. Fragen über die undurchsichtigen Strukturen, aus denen das Geld stammte. Und Fragen über die geflossenen Provisionen.

Im Februar 2016 leitete die französische Finanzstaatsanwaltschaft (PNF) eine Voruntersuchung gegen den ehemaligen Europa-Abgeordneten Jean-Luc Schaffhauser ein, der die Gelder vermittelt hatte. Im Herbst 2017 wurden das persönliche Konto von Schaffhauser sowie alle Parteikonten gesperrt.

Kredit ging von Hand zu Hand
In der Tat ist der russische Kredit von mehreren Geheimnissen umgeben. Im Laufe der Jahre ging er von Hand zu Hand: Ursprünglich wurde der Kredit von der russischen Bank FCRB gewährt. Zwei Jahre später ging die Bank Konkurs und wurde mit Verbindlichkeiten in der Höhe von umgerechnet 497 Millionen Euro liquidiert. Im März 2016 ging der RN-Kredit an die kleine Moskauer Autovermietung Conti über, die ihn 2016 an Aviazapchast verkaufte.

Aviazapchast ist ein offenbar florierendes Luftfahrtunternehmen, das von ehemaligen russischen Militärangehörigen geführt wird. Diese stehen dem Geheimdienst der Armee nahe und sind unter anderem in Syrien tätig. Damit schuldet die französische Partei einem Privatunternehmen, das in einem sensiblen Bereich tätig ist, viel Geld.

Ungereimtheiten gehen weiter

Ende 2016 leitete die russische Agentur für Einlagensicherung (ASV), das staatliche Organ, das für die Organisation der FCRB-Liquidation zuständig ist, ein Verfahren zur Eintreibung der Schulden des RN ein. Vor dem Moskauer Schiedsgericht beantragte die ASV die Annullierung des zwischen Conti und der FCRB unterzeichneten Kredittransfers. Als Begründung erklärte die ASV, dass der Schuldtransfer stattgefunden habe, ohne dass jemals Geld in die Kassen der Bank gelangt sei. Schliesslich stellte die ASV fest, dass der Kredit in der Zwischenzeit an Aviazapchast gegangen war, und forderte, auch diese Transaktion zu streichen. Allerdings konnte sich die ASV mit keiner ihrer Forderungen durchsetzen.

Die Ungereimtheiten werden noch dadurch verstärkt, dass die ursprüngliche Kreditbank FCRB nun im Mittelpunkt eines Verfahrens wegen gross angelegter Veruntreuungen steht. Im Januar 2017 wurde der ehemalige stellvertretende Direktor Dmitri Merkulow in Moskau verhaftet und angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, den illegalen Verkauf der Vermögenswerte der Bank für umgerechnet 31,5 Millionen Euro organisiert zu haben. Seither wurde die Höhe der Veruntreuung nach unten korrigiert und wird noch mit 5,4 Millionen Euro angegeben.

Der FCRB-Direktor Roman Popov, der den RN-Kredit unterzeichnet hatte, wurde zusammen mit seiner ehemaligen Stellvertreterin Olga Arsentieva der Veruntreuung beschuldigt und wird mit einem internationalen Haftbefehl gesucht. In der russischen Zeitung «Kommersant» erklärte sein Anwalt, Popov habe Russland verlassen, um sich im Ausland behandeln zu lassen. Lange bevor die Untersuchung eröffnet worden sei.


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