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Der iranische Chauffeur Fardin Kazemi mit seinem defekten Truck inmitten Polens © BBC

So erlebte ein iranischer Truck-Chauffeur in Polen Weihnachten

Christian Müller /  Unabhängig von aller Politik: Die Menschlichkeit bricht immer wieder durch und wird sichtbar. Das ist gut so.

Polen steht vor einem schwierigen Jahr. Die aktiven Versuche polnischer Politiker, die eigene Geschichte des 20. Jahrhunderts umzuschreiben, beste Kontakte zu Hitler und aktive Hilfe bei der Juden-Verfolgung vergessen zu machen und die Schuld am Zweiten Weltkrieg von Hitler weg nach Russland zu verschieben, wird Folgen haben: erfreuliche Folgen für die Geschichte als Wissenschaft und als Sammlung von Fakten, eher negative Folgen für das Image von Polen.

Der Vorstoss polnischer Mitglieder des EU-Parlamentes und die darauf folgende Zustimmung des EU-Parlamentes zu einer Resolution, wonach der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht Hitler, sondern dem Molotow-Ribbentrop-Pakt anzulasten sei, hat Russland nun veranlasst, im Hinblick auf die Feierlichkeiten «75 Jahre Beendigung des Zweiten Weltkrieges» im kommenden Mai seine Archive zu öffnen. Danach werden solche Geschichtsverfälschungs-Veranstaltungen wie jene im EU-Parlament vom September 2019 kaum mehr stattfinden können. (Infosperber hat als eine von nur wenigen Publikationen über den skandalösen Entscheid des EU-Parlamentes ausführlich berichtet. Zum Nachlesen hier anklicken.)

Polen ist ja auch in einem anderen Punkt – politisch – etwas speziell. In keinem anderen Land Europas werden die USA so verehrt, um nicht zu sagen: so «angebetet», wie in Polen. US-amerikanische Truppen und Waffen sind in Polen hochwillkommen. Die NATO kann nicht genug Truppen nach Polen abdelegieren und NATO-Manöver auf polnischem Boden sind jederzeit erwünscht. Gerade im Frühling 2020 sind wieder solche geplant. Neben 17’000 US-Soldaten, die bereits in Europa stationiert sind, sollen 20’000 weitere aus den USA nach Europa eingeflogen werden. Und verstanden wird die grandiose Militär-Übung als Machtdemonstration gegenüber Russland. Das Wort «Provokation» wäre wohl zutreffender.

Aber es gibt sie nicht, «die» Polen

All diese polnischen «Spezialitäten», ersichtlich aus den Wahlergebnissen und Abstimmungsresultaten, aber auch aus vielen Medienberichten, gelten für das Land Polen, für die offenbare Mehrheit der Polen. Das aber heisst nicht, dass es nicht auch in Polen unzählige Menschen gibt mit Sinn für Gerechtigkeit und mit einem Herz für Mitmenschen in Not. BBC London hat eben so eine kleine «Weihnachtsgeschichte» bekannt gemacht.

Der Iraner Fardin Kazemi chauffiert seinen alten Truck schon seit 27 Jahren aus dem Iran zu allen möglichen und unmöglichen Destinationen in Europa. Anfang Dezember war er mit einer Ladung Trauben in Polen, als der betagte Lastwagen definitiv den Geist aufgab. Fardin Kazemi hätte nach Tschechien weiterfahren sollen, um dort Waren zu laden, die für den Iran bestimmt sind.

Was tun ohne Geld? Fardin Kazemi schlief in der Kabine des Pannenfahrzeugs, wurde aber entdeckt – und die Polen zeigten Herz: Sie sammelten Geld und brachten innerhalb kürzester Zeit fast 250’000 Zlotys zusammen – entsprechend knapp 65’000 Schweizer Franken. Damit soll er nun einen «neuen» alten Truck erhalten, einen Occasions-DAF XF 106 voraussichtlich. Das Abenteuer ist allerdings noch nicht zu Ende, denn ob der geschenkte Truck trotz Sanktionen in den Iran fahren darf, ist noch unsicher …

Fardin Kazemi ist trotzdem schon heute unendlich dankbar und weiss kaum, wie er die Polen ausreichend rühmen kann. Ja, auch in Polen, wo man verehrungsvoll nach Washington blickt und die dortigen Entscheidungen stets besonders lobt – gerade jetzt auch wieder die Sanktionen gegen die Nord Stream 2-Beteiligten – wird einem sanktionsgeschädigten Iraner geholfen, wenn er leibhaftig vor einem steht und in Not ist.

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Kleiner Nachtrag vom 28. Dezember 2019

Eben hat die israelische Tageszeitung Haaretz einen bemerkenswerten Artikel zum Thema Polen und Auschwitz publiziert – in Englisch – hier anklicken.


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9 Meinungen

  • am 24.12.2019 um 15:17 Uhr
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    So wohltuend, dass es auch immer wieder im wahrsten Sinne «humane» Aktionen gibt.

  • am 24.12.2019 um 16:50 Uhr
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    Für herrn müller ist es offenbar völlig unverständlich, dass ein land so us-freundlich sein kann wie polen. Polen steht nicht allein. Fast alle ehemaligen sowjet-vasallen wollen weg aus dem russischen orbit. Insbesondere die baltischen staaten. Ihnen sitzt halt noch das trauma der vergangenen jahrzehnte in den knochen. Sie wären lieber von den amis befreit worden als von den sowjets und mussten mitansehen, wie gut es dem westen nach dem krieg ging, im unterschied zu ihnen. Nun, das gescheiterte sovjet experiment kann man nicht dem heutigen russland anlasten. Man sollte zu einem neuen verhältnis finden. Aber der schock sitzt halt immer noch tief. Da greift man noch so gerne nach einem nato schutzschild. Wir sollten uns mehr in diese staaten einfühlen, statt aus unserer satten westsicht lehren erteilen zu wollen.

  • Christian Müller farbig x
    am 24.12.2019 um 18:11 Uhr
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    @von Burg: Ihre kritischen Kommentare zu meinen Artikeln sind ja so sicher wie das Amen in der Kirche. Aber manchmal freut mich Ihre Kritik sogar, zum Beispiel jetzt: Sie bestätigen – vielleicht ungewollt – dass es die Rote Armee war, die Hitler militärisch besiegte, und nicht England und die USA, wie jetzt oft geglaubt und sogar geschrieben wird (z.B. von CH Media Chefredaktor Patrik Müller, siehe infosperber.ch). Churchill und Roosevelt haben Stalin sogar SEHR HERZLICH gedankt für den Einsatz der Roten Armee, und dies bis im Winter 1945, weil sie wussten, dass sie es selber ohne die Rote Armee nicht geschafft hätten. – Ich kenne im übrigen Mittel- und Osteuropa recht gut, ich habe zum Beispiel mehrere Jahre in der Tschechischen Republik gelebt und war auch dieses Jahr wieder mehrere Wochen dort. Mit Dank und Gruss, Christian Müller

  • am 25.12.2019 um 12:27 Uhr
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    Ja, das sind die Auswirkungen des polnischen Volkes, das vermehrt die Nähe Gottes sucht, die Kirchen neu belebt werden. Die Geschichte ist sehr nahe bei der des barmherzigen Samariters. Auch die Wirtschaft Polens ist erstarkt. Der Grund ist schnell gefunden, Psalm 33,12 sagt: Wohl dem Volk dessen Gott der Herr ist. Gott Segne Polen.

  • am 25.12.2019 um 17:02 Uhr
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    Es ist schön, auch mal gleicher meinung zu sein, herr müller (es ist ja weihnachten).Niemand wird den grossen, wahrscheinlich sogar entscheidenden beitrag der roten armee zur befreiung europas von hitlerdeutschland bestreiten. Zumindest niemand unter den informierten.
    Mit herzlichem gruss christian von burg

  • am 26.12.2019 um 13:33 Uhr
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    Nun, die «Polen», wer ist das denn, sind sicher keine Heiligen. Ein flächenmässig grosses Land, das zu seinem noch grösseren Unglück, immer eingekeilt/gequetscht war zwischen den Deutschen und den Russen, hin- und hergeschoben, dazu gewonnen (siehe 1930er Jahre, also keine Heiligen), verloren, verschoben usw. Einmal ein Grossreich, dann wieder von der Landkarte verschwunden. Die kath.Kirche als Ankerpunkt, man sollte versuchen diese «Polen» zu verstehen. Wie lautet der Spruch: Noch ist Polen nicht verloren. Die Frage ist nur, welches Polen………

  • am 26.12.2019 um 19:25 Uhr
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    Auch in Schweizer Schulbüchern sind die Sieger des Zweiten Weltkrieges die heldenhaften Briten und vor allem die noch heldenhafteren Amerikaner.
    Schön, dass es auch Polen gibt, die einem Iraner so spontan Hilfe leisten, obwohl dessen Land sanktioniert wird.

  • am 28.12.2019 um 14:09 Uhr
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    Hr.Müller Die USA -Sanktionen in Gegensatz zu ihre Meinung finde ich gut, Für einen Schweizer natürlich ist es schlecht zu verstehen, die Russen haben schließlich gut bezahlt… .Polen ist auch ein Christliches land die Hilfe für die Leute ist eine Pflicht für die Christen, somit ist die «Sensation » in polen ganz normal. Bitte keine Dummen Quatsch wegen sogenannten » Flüchtlingen» wieso polen nahm die nicht alle, hier dies zu antworten wäre sehr schlecht habe noch 1060 Zeichen ,also nächste mal. Was geht an, eine «aktive Hilfe bei der Juden-Verfolgung «muss ich sie FRAGEN: können sie eigene Geschichte? nun wollte sie erinnern wegen Yad Vashem in Izrael,ich bin gespannt wie viele Schweitzer werden dort als Helden bekannt? Polen gehören zu Meisten Retter. Ja sagen sie mir bitte was haben die Banken mit dem jüdischen Geld gemacht? Nach dem Krieg war nicht besser ,zB:Schweizer Landesausstellung „Expo“ in Lausanne 1964 durfte sich die jüdische Gemeinschaft beteiligen. Allerdings baten die Veranstalter darum, die Geschichte nicht anzusprechen. Man fürchtete sich vermutlich vor einer kritischen Darstellung der Schweizer Flüchtlingspolitik vor 1945. In Polen sind die Synagogen noch nicht bewacht, in Gegenteil zu west Demokratie. Jetzt zu » Weltkrieg am 1 September ist Deutschland nach polen Maschiert da sie vorher mit Russen einen Pakt abgeschlossen hat, am 17 September haben Russen die Polen attackiert ,sie können andere Geschichte? Gottes Segen und viel Erfolg.

  • Christian Müller farbig x
    am 28.12.2019 um 15:37 Uhr
    Permalink

    @Slawomir Kurpiewski: Die Schweiz hat zum Thema Schweiz/Zweiter Weltkrieg/Juden eine internationale Historiker-Kommission eingesetzt, um die Fakten wahrheitsgemäss publik zu machen. Der sogenannte Bergier-Bericht (siehe dazu Wikipedia) umfasst über 12’000 Seiten. Als promovierter Historiker vertrete ich selber klar die Ansicht, dass auch künftige – neue – Erkenntnisse zu diesem Thema publiziert werden müssen. Es gibt nur einen vertretbaren Weg: Alle noch vorhandenen Akten, ob gut für die Schweiz oder schlecht, gehören auf den Tisch! Leider handhaben das nicht alle Länder so. Noch immer versuchen einige Länder, vor allem in Mittel- und Osteuropa, ihre Kooperationen mit den Nazis zu verdecken. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die ganze Geschichte aufgearbeitet wird, auch wenn sie unangenehm ist. Mit freundlichem Gruss, Christian Müller.

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