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Friedliche Produktion ohne tödlichen Konsum © Website Ruag

Die Rüstungsindustrie – die nachhaltige Avantgarde

Jürgmeier /  Produkte verkaufen, aber nicht brauchen. Das ist die nachhaltige Zukunft der Wachstumsgesellschaft. Die Waffenindustrie machts vor.

Wer wollte einem halbwegs anständigen Menschen unterstellen, er produziere und verkaufe Waffen, damit sie eingesetzt werden? Wer würde den Mitgliedern unserer Landesregierung oder den Mitarbeitenden des eidgenössischen Rüstungsbetriebs Ruag absprechen, dass sie ein Herz haben? Höchstens ein herzloses Monster. (*)

Der Bundesrat aber will doch bloss die «an die Bedürfnisse der Landesverteidigung angepasste industrielle Kapazität auch in Zukunft» (Pressemitteilung des Bundesrates, 15.6.2018) sicherstellen und die Arbeitsplätze der darbenden schweizerischen Rüstungsindustrie erhalten, indem er künftig, nur «im Einzelfall», Ausfuhrbewilligungen in «Endbestimmungsländer, welche in einen internen bewaffneten Konflikt verwickelt sind» erteilen möchte, «wenn kein Grund zur Annahme besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial im internen bewaffneten Konflikt eingesetzt wird». Schliesslich ist der als alternativlos propagierte Kapitalismus – der gerechte Verteilung des Begrenzten als kommunistische Planwirtschaft diffamiert – auf Wachstum ohne Ende angewiesen. Nur dieses garantiert prosperierende Märkte und sichere Arbeitsplätze in Zeiten von Automatisierung sowie steigender Produktivität. Wenn immer weniger Menschen in immer kürzerer Zeit immer mehr herstellen können, braucht es laufend neue Absatzmärkte – Patronen für jene, die sofort schiessen und, wie die Verbraucherinnen und Verbraucher von Papiertaschentüchern, umgehend Nachschub brauchen.

Und wegen dieser «bescheidenen Korrektur» (Schneider-Ammann, Tages-Anzeiger, 27.9.) bisheriger Waffenexport-Regeln schwingt die linke Mehrheit des bei den letzten Wahlen nach rechts gerutschten Nationalrats die Moralkeule und lässt Friedenstauben fliegen? Die junge Republik trauert der guten alten Praxis nach, Bürgerkriegsparteien gleich wie Risikostraftäter zu behandeln: «Jack the Ripper drückt man auch dann kein Messer in die Hand, wenn er hoch und heilig verspricht, damit nur Karotten zu schneiden» (Ella Blülle und Dennis Bühler, 26.9.). Immerhin können mit einem Messer noch ganz andere Dinge gemacht werden als Menschen aufzuschlitzen. Hochzeitstorten anschneiden beispielsweise. Aber wer braucht schon ein Sturmgewehr als Laubbläser, eine Handgranate als Pflug oder eine Fliegerabwehrrakete als motorisierten Wingsuit? 
Wein, der gelagert, aber nicht gesoffen wird

Was also machen all die friedfertigen Staaten – die sich auf dem schweizerisch globalisierten Markt mit ausgeklügelten Waffensystemen eindecken – mit diesem milliardenschweren Arsenal? Gilt das Gesetz, alles Entwickelte und Gekaufte werde früher oder später genutzt? Werden die Scheinheiligen – die schworen, all das Kriegsgerät nur anzuhäufen – ihre Waffen, wie jeder anständige Schurkenstaat, irgendwann für das einsetzen, wofür sie gedacht und gebaut? Zum Töten von Menschen. Und im schlimmsten Fall den Beweis liefern, dass die Waffenindustrie (beziehungsweise die Wachstumsgesellschaft insgesamt) am Ast sägt, auf dem sie höcklet? Blutverspritzte Panzer und zerfetzte Kinderleiber liefern jedenfalls keine verführerischen Werbebilder. Und wer genau würde nach einem flächendeckenden Einsatz der Overkillkapazitäten noch irgendwelche Bomben oder Abfangjäger in Auftrag geben?

Oder probt die Rüstungsbranche, als klammheimliche Avantgarde, was sich, «together ahead», als nachhaltiges Geschäftsmodell der Zukunft erweisen könnte? CEOs (Chief Executive Officers) übernehmen ja gerne, was Generäle ihnen vormachen. Friedliche Produktion ohne tödlichen Konsum? Autos, die gekauft, aber nicht gefahren; Reisen, die gebucht, aber nicht angetreten; Flugzeuge, die gebaut werden, aber nicht abheben; Wein, der gelagert, aber nicht gesoffen wird; geheizte Privathallenbäder, die geplant, aber nicht gemauert werden. Die Sammlerin als nachhaltiger Konsument. Am besten in einer durch-digitalisierten Kultur, in der die Bagger nicht mehr analog, sondern nur noch in digitalen 3D-Welten auffahren. In denen kaum graue Energie verbraucht, aber alles zum Volltarif abgebucht wird.

Damit die Gewinne weiter steigen. Landstriche blühen. Arbeitsplätze – nur wer arbeitet, soll leben – und Altersvorsorge gesichert sind. Der Staat seine Aufgaben – soziale Wohlfahrt, Verkehr, Bildung, Sicherheit, Unterstützung der Landwirtschaft usw. – wahrnehmen kann. Weil «die Wirtschaft» wächst und wächst und wächst… Alles ohne den Klimawandel weiter voranzutreiben, die Umwelt zu belasten, die Ressourcen unserer Kinder und Kindeskinder zu zerstören.

Grüngrüne Träumereien? Nein. Waffenexportlogik.

(*) Bundesrat Johann Schneider-Ammann in der Debatte über Exportvorschriften für Kriegsmaterial am Mittwoch, 26. September 2018, im Nationalrat: «Auch Bundesräte haben ein Herz. Und meine Mitarbeiter sind keine herzlosen Monster» (Tages-Anzeiger, 27.9.2018).


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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3 Meinungen

  • am 30.09.2018 um 16:03 Uhr
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    Waffenexportlogik, nicht Grüngrüne Träumereien, sagen Sie zum Schluss in ihrer trefflichen Analyse, Herr Jürgmeier. Ja, diese «nachhaltige Avantgarde» hat halt begriffen was Wertschöpfung heisst: entwickeln, produzieren, verkaufen, nicht brauchen, verrosten, verschrotten, neu beschaffen. Oder eben brauchen, verrecken oder nach Europa flüchten, helfen. Dafür brauchen wir unbedingt die Landesverteidigung und die eigene Waffenindustrie. Denn die Manager dieser Lobby leben in Sicherheit hier und wollen geschützt werden (und «die Arbeitsplätze erhalten» so Schneider-Ammann, logisch).

  • am 30.09.2018 um 19:57 Uhr
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    Endlich ein Artikel der uns einen Weg in die Zukunft zeigt: So naheliegend, dass man ihn fast übersehen würde, wenn uns Jürgmeier die tiefere Logik des Bundesratsentscheids nicht so treffend nahegebracht hätte. Man könnte so Milliardenbeträge an sicherem Wachstumsmärkten verdienen: Zusätzlich brächte es ja auch noch abgesicherte und bewachte Stellplätze für die Waffen und nach einigen Jahrzehnten sicherer Zwischenlagerung, die entsprechenden Verschrottungskapazitäten. Wir brauchen also gar keine Änderung der Kompetenzen für das Exportgesetz, sondern nur eine kleine Ergänzung: Die verkauften Waffen müssen in den entsprechenden Ländern in plombierten Hallen aufbewahrt werden unter Bewachung durch Schweizer Sicherheitsdienste, die im Kaufpreis eingeschlossen sein müssen. Bei Verwendung der Waffen würden dann hohe Konventionalstrafen fällig und die Verschrottung würde bereits vertraglich in der Schweiz vorgesehen. So winken tausende von neuen Arbeitsplätzen ohne schlechtes Gewissen!

  • am 1.10.2018 um 11:04 Uhr
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    @ Jens Martignoni: Grandios, Gratulation, Problem gelöst. Wir warten nun gespannt auf die Debatte im Bundeshaus, vielleicht braucht es dazu die neuen Bundesräte? Infosperber hält uns auf dem Laufenden.

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