Kommentar

Schweiz-EU: Was auf dem Spiel steht

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsDer Autor ist Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Aussenpolitik. In den 1990er Jahren war er EU-Korrespondent ©

Markus Mugglin /  Wie schon fast üblich hat sich der Streit zwischen der Schweiz und der EU vor Jahresende zugespitzt. Trotzdem ist es jetzt anders.

Alle Jahre wieder. So scheint es im Verhältnis Schweiz-EU zu und her zu gehen. Ende 2016 drohte der Schweiz der definitive Ausschluss aus der Forschungszusammenarbeit, im Jahr danach erhielt sie die Anerkennung der Schweizer Börse nur provisorisch für ein Jahr und Ende 2018 wurde diese noch ein letztes Mal auf ein halbes Jahr verkürzt.
Die Lage spitzt sich offensichtlich zu. Es zeigt sich nicht nur in den Massnahmen der letzten Jahre. Auch die damit verknüpften Erwartungen stehen dafür. 2016 ging es um die EU-verträgliche Umsetzung der Zuwanderungsinitiative. Vor einem Jahr erwartete die EU einen baldigen Abschluss eines Institutionellen Abkommens (InstA). Jetzt macht sie die Börsenäquivalenz von einem Ja zum vorgelegten Abkommenstext abhängig. Es ist die letzte Chance, den Beginn vom Ende des bilateralen Sonderwegs abzuwenden.
Die Schweiz soll sich entscheiden. Das scheint man hierzulande nach erfolgreicher zehnjähriger Verzögerungstaktik zu realisieren. Es macht alle nervös. Der Druck weckt Emotionen und provoziert eine ungewohnte Front von «Landesverteidigern», die sich mit Aufrufen zum Widerstand gegenseitig hochschaukeln. Nicht nur die SVP-Rechtsaussen sagen unmissverständlich Nein, auch SP-Präsident Levrat tut es zusammen mit den Gewerkschaften. Mit UBS-Verwaltungsratspräsident Axel Weber bringt sich ebenso ein Spitzenbanker wie mit Rudolf H. Strahm ein prominenter Bankenkritiker gegen Brüssel in Position. Wir wollen «nicht dauernd gepiesackt werden», entrüstete sich mit Ständerat Damian Müller gar ein Vertreter der Wirtschaftspartei FDP.
Die neue Allianz von EU-Kritikern empört sich und markiert scheinbare Stärke. Finanzminister Ueli Maurer ging mit dem angedrohten Ausschluss der EU-Börsen vom Geschäft mit Aktien von Schweizer Unternehmen voran. Gedroht wird mit der Nichtauszahlung von neuen Kohäsionsgeldern, mit dem Stromhahn der europäischen Verteilzentrale im aargauischen Laufenburg. Die Exportindustrie verkrafte es, wenn die EU das Abkommen über die technischen Handelshemmnisse nicht aktualisiere. Sollte die Schweiz aus der Forschungszusammenarbeit ausgeschlossen werden, könne sie die Zusammenarbeit mit Deutschen und britischen Spitzen-Universitäten fördern. Die EU-Lastwagen könnten auf der Gotthard-Route mit einer massiv höheren Strassensteuer bestraft werden.
Wichtige Fragen werden verdrängt

Vor lauter Kampfesstimmung werden naheliegende Fragen verdrängt. Es bleibt unklar, was die Nichterwähnung der Unionsbürgerschaft im InstA für das künftige Verhältnis Schweiz-EU bedeuten kann. Es wird kaum gefragt, ob und wie die Lockerungen des Lohnschutzes im vorliegenden InstA innenpolitisch mit EU-kompatiblen Massnahmen kompensiert werden könnten? Nicht thematisiert werden neue Mitspracherechte, die gegenüber dem schöngeredeten «autonomen Nachvollzug» von neuen EU-Regeln einen gewissen Fortschritt darstellen könnten. Und noch immer diskutiert die Schweiz nicht darüber, was sie eigentlich will. Möchte sie den bilateralen Sonderweg für den Zugang zum EU-Binnenmarkt erhalten oder kann sie darauf verzichten? Gibt es attraktive Alternativen und allenfalls welche?

Die Frage der Unionsbürgerschaft und deren allfälligen Folgen hätte der Bundesrat noch vor der Publikation des InstA erläutern sollen. Weil er es nicht tat, tappen selbst Europarechtsexperten im Dunkeln, was das zu bedeuten hat. Der Europarechtler Thomas Burri folgert aus der Nichterwähnung der Unionsbürgerschaft im Abkommen, dass die EU diese Richtlinie für die Beziehungen zur Schweiz nicht zur Anwendung bringt (NZZ, 11.12.2018). Die Europarechtsexpertin Astrid Epiney vermutet, dass die Implikationen nicht klar sind (Jusletter, 17.12.2018). Die Expertin Christa Tobler erachtet das Thema als «aufgeschoben», bis es die EU wieder aufgreift. (Brevier zum institutionellen Abkommen Schweiz-EU). Wie sensibel die mit der Unionsbürgerschaft verknüpften Fragen sind, sollte vordringlich erläutert werden.

Weitgehend Klarheit besteht darin, wie die EU die Flankierenden Massnahmen gestalten will. Die Anmeldefrist soll von acht Kalendertagen auf vier Arbeitstage verkürzt werden. Sie wird also nicht halbiert, wie in der öffentlichen Debatte meist suggeriert wird. Die österreichischen und luxemburgischen Gewerkschaften dürften das Ergebnis mit Interesse zur Kenntnis nehmen, nachdem sie durch frühere Entscheide des EUGH zu einer radikalen Fristverkürzung verknurrt wurden.

Auch die Kautionspflicht wird relativiert. Als Gegenleistung wird das verbesserte Binnenmarkt-Informationssystem angeboten. Es soll die Kontrollen grenzüberschreitend verbessern und über einen neuen Mechanismus länderübergreifend das Einziehen von Bussen erleichtern.

Innenpolitische Lohnschutz-Kompensationen

Doch die EU verbietet der Schweiz nicht, wie Europarechtlerin Astrid Epiney in ihrer soeben publizierten Analyse über das Abkommens betont, «andere Massnahmen zur Aufrechterhaltung des Lohnniveaus» zu ergreifen. Das EU-Recht gewährt jedem Mitgliedstaat das Recht, Löhne eigenständig festzulegen und durchzusetzen. Oder wie der Europa-Parlamentarier Elmar Brock kürzlich klarstellte: «Ausländische Arbeitnehmer werden nach den Tarifregeln des Landes bezahlt, in dem sie arbeiten. Dasselbe gilt für die Schweiz.» Sie kann also im InstA vorgesehene Lockerungen durch innenpolitische Entscheide kompensieren. Die Schweiz und die Sozialpartner müssen es nur wollen.

Der Möglichkeiten gibt es viele. Die Wunschliste der Arbeitnehmerorganisationen ist vielfältig. Sie zielt auf den Abschluss weiterer Gesamtarbeitsverträge mit Minimallöhnen, auf erleichterte Allgemeinverbindlicherklärungen, auf Normalarbeitsverträge mit zwingenden Mindestlöhnen für Branchen ohne Gesamtarbeitsverträge, auf strengere Kündigungsauflagen für ältere Arbeitnehmer, auf Sanktionen, die wirklich abschreckend wirken. Manche Kantone sollen ihre Kontrollen verbessern.

Die Schweiz könnte ausserdem nach dem Vorbild von Österreich eine Auftragshaftung gesetzlich festlegen. Der Auftraggeber könnte bei Verstössen gegen das Prinzip «gleicher Lohn für gleiche Arbeit» belangt werden. Das gilt nach wie vor, obwohl Medienberichte über ein kürzlich gefälltes Urteil des EUGH einen anderen Eindruck erweckt haben. Der EUGH hat aber nicht gegen das Prinzip der Auftragshaftung in Österreich entschieden, sondern gegen das Verhängen von Geldstrafen, bevor die zuständige Behörde einen Verstoss gegen das nationale Arbeitsrecht tatsächlich festgestellt hatte.

Bei den Flankierenden Massnahmen geht es um die Umkehr des von Aussenminister Cassis gerne beschworenen Slogans «Aussenpolitik ist Innenpolitik». Es braucht innenpolitische Änderungen, um allenfalls negativen Nebenwirkungen von gelockerten Lohnschutzbestimmungen vorzubeugen und entgegenzuwirken. Das verstösst nicht gegen die neue, im letzten Juli in Kraft getretene EU-Entsenderichtlinie, die den Arbeitsschutz vielfältig aufwertet.

Da in der Schweiz alle versprechen, den Lohnschutz nicht zu schwächen, ist es nur konsequent, nun über innenpolitisch kompensierende Massnahmen zu verhandeln und solche zu beschliessen. Es ist nachzuholen, was im letzten Sommer der damalige Wirtschaftsminister Schneider-Ammann nicht tun wollte. Er traktandierte nur Abbaumassnahmen, schlug aber keine neuen kompensierenden Schutzmassnahmen vor und provozierte damit die Gesprächsverweigerung der Gewerkschaften.

Mehr als nur Gewerkschaftsinteressen

Es werden sich zweifellos Stimmen gegen eine angebliche «Vergewerkschaftung» der Schweiz erheben. Doch es geht um mehr als nur Sonderinteressen. Es geht um inklusives Wirtschaftswachstum, was inzwischen nicht nur Gewerkschaftsvertreter, sondern selbst Experten der OECD und des Internationalen Währungsfonds zum wirtschaftspolitisch vordringlichen Ziel erklärt haben. Nur dann besteht die Chance, die politisch enttäuschten «Globalisierungsverlierer» zurückzugewinnen. Auch gesamtwirtschaftlich zahlt es sich aus. Inklusives Wachstum ist ein probates Instrument gegen die wirtschaftliche Stagnation, die sich auf Kosten der Arbeitnehmer europaweit breit gemacht hat.

Die Schweiz hat es viel besser als die meisten EU-Länder geschafft, inklusives Wachstum zu erzielen. Sie hat sich im Vergleich zu den meisten europäischen Ländern wirtschaftlich gut entwickelt und gleichzeitig die Einkommensverteilung stabil gehalten. Die Löhne der untersten Einkommensschichten sind stärker gestiegen als die mittleren Löhne. In den Nachbarstaaten und in den südeuropäischen Krisenstaaten hat sich die Lohnungleichheit hingegen verschärft. Der Kontrast zum Exportweltmeister Deutschland ist besonders gross. Dort hat sich im Gefolge der rot-grünen «Agenda 2010»-Politik ein riesiger Niedriglohnsektor breit gemacht. Er umfasst mehr als ein Fünftel aller Beschäftigten. Die Folge war zum einen eine starke Zunahme der Einkommensungleichheit und zum andern eine jahrelang stagnierende Binnenkonjunktur.

Der wirtschaftliche und verteilungspolitische Erfolg der Schweiz wäre ohne Flankierende Massnahmen nicht denkbar. Dank ihnen hat sich seit 2003 die Zahl der Arbeitnehmer, die allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträgen unterstellt sind, praktisch verdreifacht. Der Abdeckungsgrad der Gesamtarbeitsverträge ist in der gleichen Periode von 45 auf 52 Prozent gestiegen. Der Arbeitnehmerschutz hat sich also merklich ausgeweitet.

Aufplustern dürfte im Frust enden l

Um kompensierende Massnahmen im Inland bemüht man sich aber kaum. Man ereifert sich lieber über die schlechten Absichten Brüssels und scheint auf eine Nichtlösung zuzusteuern. Noch immer wollen viele glauben, die EU sei weiterhin bereit zuzuwarten – auch nach mehr als zehn Jahren Diskussion und mehr als vier Jahren Verhandlungen über ein Rahmenabkommen. Doch ausgerechnet die Personenfreizügigkeit, deren Umsetzung und Weiterentwicklung ist für die EU der wichtigste Grund, weshalb sie das Institutionelle Abkommen will. Dieses aus dem InstA herauslösen zu wollen, ist deshalb schlicht Wunschdenken.
Ein Nein zum vorliegenden Vertrag wird Folgen haben. Erst recht, wenn die Schweiz mit Gegenmassnahmen auf stark machen will. Der Ausschluss der EU-Börsen und das Aussetzen der Kohäsionsgelder wird wenig Eindruck machen. Die Kohäsionsgelder der Schweiz sind nur ein Klacks im Vergleich zu den Hilfsprogrammen, welche die reichen EU-Länder und das EWR-Land Norwegen zugunsten der armen Länder und Regionen in der Gemeinschaft finanzieren. Die Aussperrung der EU-Börsen würde nicht zuletzt das «Nochmitglied» Grossbritannien treffen.
Wie die EU reagieren wird, ist bisher nur beim Börsenthema klar. Doch viel mehr dürfte passieren. Wird die EU die Schweiz aus der Forschungszusammenarbeit und den Austauschprogrammen für Studierende ausschliessen? Wird sie das Abkommen über technische Handelshemmnisse nicht mehr aktualisieren, zahlreich ausstehende Äquivalenzanerkennungsverfahren für den Finanzsektor hinauszögern, die Zölle auf Stahlexporten aus der Schweiz massiv erhöhen, die Schweiz im Stromhandel diskriminieren. Wen wird es treffen? Unsere Forschung, unsere Studentinnen und Studenten, die Filmschaffenden, die Exporteure der Maschinen-, Pharma- und Medtech-Industrie, die Banken und Vermögensverwalter oder das gesamte Land, das zusehends von Stromimporten abhängig ist und bei der öffentlichen Gesundheit und der Lebensmittelsicherheit vergeblich auf engere Zusammenarbeit hoffen würde.
Hierzulande würde man über die «Nadelstiche» lamentieren und versuchte davon abzulenken, dass sich die Schweiz seit Jahren klaren Regeln für die Weiterentwicklung der Beziehungen und für allfällige Streitigkeiten widersetzt. Sie bekäme die selbst gewählte Regellosigkeit zu spüren, würde erfahren, was es bedeutet, wenn Instanzen fehlen, die verbindlich feststellen, was verhältnismässig und damit rechtens oder nicht rechtens ist, ob die EU mit guten Gründen die Anerkennung der Schweizer Börse verweigert oder eine andere Retorsionsmassnahme trifft. Man darf sich dann darüber ereifern, dass die EU sachfremde Elemente nach Lust und Laune verknüpft.
Die Schweiz hat es in der Hand, das zu ändern. Sie müsste Ja sagen zu klaren Regeln für die Beilegung von Streitfällen. Sie könnte sachfremde «Nadelstiche» in einem geordneten Verfahren anfechten und ihnen auch vorbeugen. Denn «das neue Schiedsverfahren ist vor allem als Schutz vor einseitigen Massnahmen der EU von zentraler Bedeutung», stellt der Europarechtler Thomas Cottier im soeben publizierten Text «Der Rechtsschutz im Rahmenabkommen Schweiz – EU» fest. Sanktionen gegen Verstösse und fehlendem Nachvollzug dürften nicht (mehr) einseitig verhängt werden.
Gewerkschaften agieren hochriskant

Sollte der bilaterale Sonderzug definitiv entgleisen, würde es die Gewerkschaften besonders stark treffen. Es bedeutete das Ende der Flankierenden Massnahmen oder führte zumindest zu einem massiven Rückbau. Der frühere Co-Präsident des SGB, Vasco Pedrina, hat in der kürzlich erschienenen Publikation «Von der Kontingentierungspolitik zur Personenfreizügigkeit» diese enge Verknüpfung mit guten Gründen betont: Die bilateralen Verträge müssten «auf jeden Fall gesichert werden», sie seien «für das Lohnniveau und die Sicherheit der Arbeitsplätze von sehr grosser Bedeutung».

Fallen die bilateralen Verträge weg, gäbe es keine Verpflichtung mehr zur Personenfreizügigkeit. Die mit ihr verbundenen Flankierenden Massnahmen kämen unter Beschuss. Parolen gegen «überregulierte Arbeitsmärkte und Bürokratie» würden reaktiviert. Die SVP würde die Polemik gegen die Flankierenden Massnahmen wieder auffrischen, die Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher im vergangenen Februar losgetreten hatte. Die «Begrenzung der Zuwanderung» ohne Lohnschutz bekäme Aufwind. Dem hätten die Gewerkschaften wenig entgegenzuhalten. Sie könnten ihre Zustimmung zu bilateralen Verträgen nicht mehr von der weiteren Stärkung Flankierender Massnahmen abhängig machen und so die Arbeitgeber und ihre politischen Verbündeten zum weiteren Ausbau des Lohnschutzes drängen. Es müsste deshalb in ihrem Interesse liegen, vom apodiktischen Nein abzurücken und zur Taktik des «Ja, aber» zurückzukehren. Es war das Erfolgsrezept der letzten 15 Jahre, das den starken Ausbau des Lohnschutzes erst möglich machte.

Die Schweiz muss entscheiden, was sie will

Die Zeit für den bilateralen Sonderweg ohne klare Regeln für Aufsicht, Weiterentwicklung und Streitbeilegung läuft aus. Dieses Modell will die EU aus ihrer «Menü-Karte» für die Beziehungen zu Drittstaaten streichen. Die Schweiz muss sich deshalb entscheiden. Will sie den bilateralen Weg auch unter den neuen Bedingungen beschreiten?

Sagt die Schweiz nicht grundsätzlich Ja zum InstA, wird es die EU als Nein bewerten. Die Schweiz muss deshalb mit einer Reihe sogenannter Ausgleichsmassnahmen rechnen. Sie müsste dann aber endlich tun, was sie seit Jahren verdrängt – nämlich über andere europapolitische Optionen nachdenken und diskutieren. Will sie sich vom weitreichenden bilateralen Zugang zum EU-Binnenmarkt zurückziehen und stattdessen nur noch auf ein Freihandelsabkommen setzen. Es wäre die Strategie, die in der EU und in den Brexit-Diskussionen mit Canada-Modell bezeichnet wird. Der Zwang zum dynamischen Nachvollzug von neuem EU-Recht wäre zumindest geringer. Der privilegierte Zugang zum weltweit grössten Binnenmarkt wäre aber verbaut.

Das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU aus dem Jahre 1972 wäre der Ausgangspunkt. Es könnte vermutlich ergänzt werden. Vielleicht gelänge es, das Abkommen über die technischen Handelshemmnisse zu retten oder ein neues Abkommen für die Forschungszusammenarbeit zu vereinbaren. Aber nur vielleicht und kaum sofort. Die EU hätte ihrerseits Wünsche wie beispielsweise Auflagen für staatliche Beihilfen oder Liberalisierungen im Agrarhandel. Auch ginge es nicht ohne eine Schiedsgerichtsbarkeit zur Beilegung von Streitigkeiten. Als «Drittstaat» würde die Schweiz erst recht von Verfahren für die Äquivalenzanerkennung abhängig, über welche die EU autonom und nicht nach klar voraussehbaren Verfahren entscheidet. Für den bilateralen Sonderfall Schweiz steht viel auf dem Spiel.
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Quellen:

Astrid Epiney, Der Entwurf des institutionellen Abkommens Schweiz – EU, Überblick und erste Einschätzung, www.jusletter.ch, 17. Dezember 2018

Christa Tobler, Jacques Beglinger, Tobler/Beglinger-Brevier zum institutionellen Abkommen Schweiz-EU, Ausgabe 15. Januar 2019, http://www.eur-charts.eu/books/institutional-negotiations-ch-eu
Thomas Cottier, Der Rechtsschutz im Rahmenabkommen Schweiz – EU, 08. Januar 2019, https://suisse-en-europe.ch/wp-content/uploads/2019/01/Der-Rechtsschutz-im-Rahmenabkommen-Schweiz-EU-Cottier-0119_2.pdf

Vasco Pedrina, Von der Kontingentierungspolitik zur Personenfreizügigkeit, Gewerkschaftliche Migrationspolitik im Wettlauf gegen Diskriminierungen und Lohndumping, Publikationsreihe Unia – Materialien zu unserer Geschichte, Bern 2018

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Aussenpolitik. In den 1990er Jahren war er EU-Korrespondent für Radio SRF.

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Die EU und die Schweiz

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4 Meinungen

  • am 18.01.2019 um 12:40 Uhr
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    Herr Markus Mugglin, haben Sie in alle Vertragsobjekte Einsicht halten können ? So wie Sie schreiben müsste das wohl so sein. Haben Sie denn Möglichkeiten z.B. mit den entsprechend involvierten Personen darüber zu diskutieren oder Ihre Vorschläge und Ideen unterbringen zu können ?
    Irgendwie habe ich als einfacher Bürger (Eidgenosse) das Gefühl, dass man heutzutage alles hinterfragt oder zum Teil besser wissen möchte. Warum wird heute nur noch Parteipolitik betrieben ? Warum haben wir denn nur noch Studierte in Bern ? Warum haben denn in der Europapolitik praktisch die Deutschen das Sagen ?
    Sie gestatten, es gibt sehr zu denken, wie unseriös das ganze betrieben wird. Wohin soll dies denn noch führen. Nur als Beispiel: das ganze Gehacke in Genf um den Möchtegern-Bundesrat. So was schreit doch zum Himmel.

    Falls Sie Zeit finden, würde es mich freuen einige Zeilen von Ihnen zu erhalten.

    Freundliche Grüsse
    Albert Schorno

  • am 18.01.2019 um 15:59 Uhr
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    Die EU ist ein Scherbenhaufen. Sie ist kein Friedensprojekt und verdient ebensolchen Nobelpreis nicht. Dies zeigt das unwürdige Gezänk mit Grossbritannien, dies zeigt den Umgang mit Griechenland, Zypern ebenso wie mit Italien (Budgetdiskussion jedoch auch die Verweigerung der Einsetzung der neugewählten Regierung, bzw. der zuvor erpressten Zugeständnissen). Verhandeln mit der EU? Wer einen Einblick bekommen will, der Lese «Die ganze Geschichte» von Yanis Varoufakis. Man liest dort von Zermürbungstaktiken, der demokratisch nirgends legitimierten Troika, demokratieverachtender Aussagen diverser EU-Funktionäre und ehem. Finanzminister Schäuble. Alles was Varoufakis schreibt, kann er belegen. Es ist also nicht nur seine Sicht oder sein Empfinden.
    Die EU ist die Vorstufe der Globalisierung und dient genauso wie die Globalisierung nur den ganz wenigen, die ganz oben in der «Nahrungskette» sitzen. Dies sehen auch die – in anderen Artikeln zu recht gelobten – Gilets Jaunes so. Die Schweiz sollte als einheitliche politische Strategie mehr selbständigkeit wählen, auch wenn dies dazu führt, dass der Gürtel enger geschnallt werden muss. Langfristig ist jedoch der gesündere und stabilere Weg. Diese Prinzipien zeigt Nassim Nicholas Taleb sehr klar für alle Gebilde und Netzwerke, die zu gross und komplex werden auf in «Antifragilität». Der Leser sollte sich vielleicht auch fragen: wer profitiert eigentlich von der «Börsen Equivalenz"? Sind es wieder die wenigen Finanzabsahner ganz oben?

  • am 18.01.2019 um 16:59 Uhr
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    » Für den bilateralen Sonderfall Schweiz steht viel auf dem Spiel», so die Schlussfolgerungen von Markus Mugglin nach dem langen Exkurs über all das, was der (angeblich führungsschwache) Bundesrat in Brüssel verhandelt hat und nun den politischen Akteuren des Landes vor die Füsse wirft und fragt, «wollt ihr das"?
    Nicht der Bundesrat als Exekutive muss diese Frage entscheiden, sondern eben die Legislative muss sich einigen und dem Bundesrat Auftrag erteilen. Aber um zu einem Entscheid zu kommen, stellen sich noch einige grundsätzlichere Fragen, etwa:
    – Ist die EU in der heutiger Form wirklich die Institution für die Zukunft Europas?
    – Gibt es, vor allem nach dem Brexit überhaupt noch etwas als «Sonderfälle» in der EU?
    – Was, wenn nach dem Brexit auch noch der Dexit, etc., zum Thema wird?
    – Warum zeigt die EU bisher keine Bereitschaft, ihre Geburtsfehler zu korrigieren?
    – Europa, eine künftige Republik oder eine lose Gemeinschaft von Nationalstaaten?
    Kein Rahmenabkommen, bevor der Brexit – wie auch immer – vollzogen ist. Ja, es steht zu viel auf dem Spiel für Hüftschüsse, für beide Vertragsparteien!

  • am 19.01.2019 um 13:41 Uhr
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    Herr Mugglin, Sie argumentieren sehr umfassend, Grundsätzliches bleibt aber auf der Strecke. Sie plädieren für einen Kolonialvertrag mit einem nicht demokratisch legitimierten Machgebilde. Brüssel ist am Versuch, sich eine Verfassung zu geben jämmerlich gescheitert. Sogenannte Staatsverträge geht die Schweiz nur auf Augenhöhe und unter Gleichberechtigten ein. Erklären Sie sich bitte, woher Sie die Energie und Überzeugungskraft nehmen, den Nationalstaat Schweiz vorbeiziehenden Wölfen vorzuwerfen. Versuchen Sie aber nicht, die Schweiz, einer der erfolgreichsten Staaten, als Auslaumodell zu bezeichnen. Ihre Haltung verletzt mich in meinem Selbstwertgefühl als Bürger dieses Landes und früherer Mandatsträger der FDP.

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