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Start in Kloten: Lärm im Inland, Verkehr und CO2-Ausstoss vermehrt ausserhalb der Landesgrenze © Swiss

Wo der Schweizer Luftverkehr schrumpft, und wo er wächst

Hanspeter Guggenbühl /  Weniger Flüge mit mehr Passagieren über längere Distanzen: Die Schweizer Bevölkerung fliegt vermehrt; dies zu Lasten des Auslands.

Die Schrumpf-Nachrichten vorweg: Die Zahl der Linien- plus Charterflüge von und zu Schweizer Flughäfen hat 2017 gegenüber dem Vorjahr um 0,2 Prozent abgenommen. Das zeigt die neuste Statistik über den Schweizer Luftverkehr, die das Bundesamt für Statistik (BFS) letzte Woche veröffentlichte.

Gegenüber dem Spitzenjahr 2000 starteten und landeten 2017 sogar 13 Prozent weniger Flugzeuge in der Schweiz. Den Verlauf dieser Flugbewegungen von 2000 bis 2017 zeigt die folgende Grafik.

Der Hauptgrund für diese Entwicklung: Im Herbst 2001 strandete die Swissair. Das führte bis 2003 zu einem deutlichen Rückgang der Flugbewegungen. Seither hat die Zahl der Flüge mit jährlichen Schwankungen wieder etwas zugenommen, blieb aber bis 2017 unter dem Stand der Jahrtausendwende. Gut ist dieser Rückgang der Flugbewegungen gegenüber dem Höchststand im Jahr 2000 für die Menschen in der Schweiz, die – je nach Region mehr oder weniger stark – unter dem Fluglärm leiden.

Mehr Passagiere und zunehmende Flugdistanzen

Der Rückgang der Starts und Landungen kontrastiert mit einer starken Zunahme der fliegenden Personen: Von 2000 bis 2017 stieg die Zahl der Flugpassagiere ab den Schweizer Flughäfen um 60 Prozent. Für diese auseinander driftende Entwicklung zwischen sinkenden Flugbewegungen und steigenden Passagierzahlen gibt es zwei Gründe: Die Flugzeuge sind grösser geworden, und ihr grösseres Platzangebot ist besser ausgelastet. So waren die Sitzplätze in den Flugzeugen, die 2017 vom und zum Flughafen Zürich-Kloten flogen, im Schnitt zu 80 Prozent belegt.

Der Flugverkehr konnte seine Produktivität seit 2000 also deutlich steigern. Das unterscheidet ihn vom Bahn- und Strassenverkehr. Denn in den Schweizer Bahnen und Autos gondeln im Schnitt zwei von drei Sitzplätzen leer durch die Landschaft. Das ist der eine Grund, dass Fliegen in Relation zum Bahn- und Autoverkehr und zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten billiger geworden ist (siehe «Lebenshaltungskosten in Deutschland im Jahr 2019»). Der andere, bedenklichere Grund: Der Flugverkehr wird von Staat und Allgemeinheit massiv subventioniert. Denn er zahlt weder seine direkten Infrastrukturkosten noch die Kosten für Umweltschäden und Klimawandel, die er verursacht.

Die mit Produktivität und Umweltdumping geförderte Verbilligung liess die Zahl der Fluggäste massiv wachsen. Dabei wird nicht nur öfter geflogen, sondern im Schnitt auch weiter. Denn noch stärker als die Zahl der Passagiere wuchs die Transportleistung des Luftverkehrs ab und zu den Schweizer Flughäfen, gemessen in Personenkilometern (Pkm). Die entsprechende Erhebung erfasst das Bundesamt für Statistik allerdings erst seit 2006.

Von 2006 bis 2017 stieg demnach die Transportleistung des Luftverkehrs von und zu den Schweizer Flughäfen von 59 auf 100 Milliarden Pkm und damit um 70 Prozent. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum (2006 bis 2017) stieg die Zahl der Passagiere um 64 Prozent auf 55 Millionen Personen, die Zahl der Flugbewegungen lediglich um 11 Prozent (siehe dazu die folgende Grafik).

Nicht erfasst: Anschlussflüge und Reisen im Ausland

Dividiert man die Transportleistung in Personenkilometern durch die Anzahl Passagiere, erhält man die durchschnittliche Flugdistanz pro Flug und Person ab den Schweiuer Flughäfen. Diese betrug im Jahr 1750 Kilometer.

Diese Zahl und damit die vorliegende Statistik über den Verkehr ab Schweizer Flughäfen lässt aber ausser Acht, dass viele Reisende im Ausland umsteigen, weiter und später wieder heim fliegen. Oder dass sie im Ausland mit einem Mietauto, der Bahn oder einem Kreuzfahrtschiff weiter reisen.

Um die gesamte Reisedistanz zu erfassen, die in der Schweiz wohnhafte Personen im In- und Ausland zurück legen, gibt es den Mikrozensus Verkehr, der periodisch das Verkehrsverhalten der Schweizer Bevölkerung im In- und Ausland erfasst, zuletzt übers Jahr 2015.

Diese spezielle Erhebung zeigt: Im Jahr 2015 flogen in der Schweiz lebende Personen im Schnitt mehr als einmal ins Ausland. Insgesamt legten sie pro Person 8990 Kilometer in Flugzeugen zurück, den Löwenanteil davon über ausländischem Boden. Zählt man die Distanz auf Strassen, Schienen und Wasserwegen dazu, kommt man im Jahr 2015 auf eine Summe von 11 000 Kilometer, welche in der Schweiz lebende Personen im Ausland zurück legen. Dieser gesamte Verkehrskonsum von in der Schweiz lebenden Personen im Ausland wuchs allein von 2010 bis 2015 um 61 Prozent. Lesen Sie dazu den Infosperber-Artikel «Schweizer Mobilität wächst im Ausland explosiv».

Verlagerung der Umweltbelastung ins Ausland

Kommen wir zurück zur aktuellen Statistik: Die stärkere Zunahme der Transportleistung im Vergleich zu den beförderten Passagieren und zur Zahl der Flugbewegungen zeigt ein weiteres: Die Distanz, welche die in der Schweiz startenden und landenden Flugzeuge und Passagiere über ausländischem Boden zurück legen, ist seit 2006 weiter gestiegen. Damit verlagert die Schweiz die Lasten ihres Luftverkehrs vermehrt ins Ausland. Dazu gehört neben dem Fluglärm vor allem das Erdöl respektive der Flugtreibstoff Kerosen, den die in der Schweiz startenden Flugzeuge vorwiegend im ausländischen Luftraum zu Stickoxiden und CO2 umwandeln. Damit verschmutzen sie die Luft und fördern die globale Klimaerwärmung.

Zu diesem Sachverhalt liefert das Bundesamt für Statistik ebenfalls detaillierte Zahlen: Im Jahr 2017 verbrannten allein die in der Schweiz startenden Flugzeuge 1,6 Millionen Tonnen Flugtreibstoff und erzeugten damit 4,9 Millionen Tonnen CO2. Gegenüber dem Jahr 2006 entspricht das – trotz effizienteren Triebwerken – einer Zunahme um 33 Prozent.

Ein Spiegel der gesamten Umweltbelastung

Der Luftverkehr spiegelt damit eine generelle Entwicklung: Die Umweltbelastung innerhalb der Schweizer Landesgrenzen ist in den letzten Jahren zwar gesunken. Gleichzeitig stieg die von der Schweizer Bevölkerung verursachte Umweltbelastung ausserhalb der Landesgrenzen. Das bestätigt die jüngste – ebenfalls kürzlich veröffentlichte – Studie des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) über die «Umwelt-Fussabdrücke der Schweiz von 1996 bis 2015», gemessen in Umweltbelastungs-Punkten (siehe nachfolgende Grafik).

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Insgesamt, so illustriert diese Grafik weiter, blieb die gesamte von der Schweiz verursachte Umweltbelastung zwar stabil. Aber sie verharrt auf viel zu hohem Niveau. Denn, so konstatierte das Bafu bei der Präsentation dieser Studie am 10. September 2018: «Die Gesamtumweltbelastung der Schweiz überschreitet das verträgliche Mass um mehr als das Dreifache.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

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