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Der UN-Generalsekretär will Blockade lösen © Paulo Filgueiras/UN Photo

Ban Ki-moon fordert UN-Notstandssitzung

Andreas Zumach /  In Syrien toben erneut Bodenkämpfe und Luftbombardements nach dem Ende der Waffenruhe.

Angesichts der anhaltenden Handlungsunfähigkeit des UNO-Sicherheitsrates im Syrienkonflikt sowie der fortgesetzten Blockade humanitärer Hilfslieferungen, selbst während der jüngsten, am Samstagabend beendeten Waffenruhe in Aleppo, mehren sich die Stimmen für ein Eingreifen der Generalversammlung. Als bislang prominenteste Stimme plädierte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon Ende letzter Woche für eine Notstands-Sondersitzung der 193 UN-Mitgliedsstaaten. «Ich bedauere, dass der Sicherheitsrat nicht in der Lage war, seine Verantwortung für Frieden und Sicherheit in Syrien wahrzunehmen», erklärte der Generalsekretär und rief «alle Mitgliedsstaaten der Generalversammlung auf, ihre kollektive Verantwortung wahrzunehmen», zum Schutz der in Syrien bedrohten Menschen.

Ban machte seine Äusserungen bei einer Unterrichtung der 193 Botschafter in der Generalversammlung über die Lage in Syrien. Das Botschaftertreffen wurde auf Antrag Kanadas mit Unterstützung von 70 weiteren Staaten einberufen. Laut dem Antragsschreiben der Regierung in Ottawa sollte bei der Sitzung auch «ausgelotet werden, ob eine Mehrheit für die Einberufung einer formellen Notstands-Sondersitzung zu Syrien existiert».

Friedensresolution möglich – trotz blockiertem Sicherheitsrat

Auf Basis der Resolution «United for Peace» (Gemeinsam für den Frieden), die die Generalversammlung 1950 angesichts der damaligen Handlungsunfähigkeit des Sicherheitsrates im Koreakonflikt verabschiedet hatte, kann eine derartige Sondersitzung auf zwei Wegen einberufen werden: entweder auf Verlangen einer einfachen Mehrheit von mindestens 97 der 193 Mitgliedsstaaten der Generalversammlung oder durch eine Mehrheit von mindestens neun der 15 Mitglieder des Sicherheitsrates. Bei einem solchen prozeduralen Beschluss hätten etwaige Nein-Stimmen der fünf ständigen Ratsmitglieder USA, Russland, China, Frankreich und Grossbritannien keine Veto-Wirkung. Seit 1950 hat die Generalversammlung zehn Mal Friedensresolutionen zu internationalen Gewaltkonflikten verabschiedet, weil der Sicherheitsrat blockiert war. Auf einer Notstands-Sondersitzung zu Syrien könnte die Generalversammlung nicht nur eine Resolution beschliessen, mit Forderungen an alle im Syrienkrieg beteiligten Akteure, etwa zu einer Waffenruhe, zur Einstellung von Luftangriffen, zum Stopp weiterer Waffenlieferungen, zur Aufhebung aller Belagerungen von Städten sowie zur ungehinderten Zulassung humanitärer Hilfslieferungen. Die Generalversammlung könnte dem Sicherheitsrat darüber hinaus auch konkrete Massnahmen empfehlen. Während der Suezkrise 1956 forderte die Generalversammlung nicht nur die beiden Vetomächte Frankreich und Grossbritannien sowie Israel zum Rückzug ihrer Truppen von ägyptischem Territorium und zur Einstellung aller Angriffe auf, sondern empfahl dem Sicherheitsrat auch die Entsendung einer UNO-Truppe in das Konfliktgebiet, was der Rat dann auch umsetzte.

Nur wenige Kämpfer verliessen die Stadt

Ein Eingreifen der Generalversammlung ist nach dem erneuten Scheitern der Waffenruhe in Aleppo noch wahrscheinlicher geworden. Die Mitte letzter Woche von Russland verkündete dreitägige Feuerpause endete am Samstagabend um 18 Uhr. Schon kurz darauf kam es wieder zu heftigen Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Rebellenmilizen sowie zu Bombardements durch russische sowie syrische Luftstreitkräfte. Während der dreitägigen Feuerpause konnten die humanitären Organisationen der UNO, anders als zunächst geplant, weder Hilfslieferungen nach Aleppo bringen noch rund 200 schwerstverwundete Personen evakuieren. Denn die für diese humanitären Massnahmen erforderlichen Sicherheitsgarantien erhielt die UNO weder von der Regierung Assad noch von der im Ostteil Aleppos präsenten Al-Nusra-Front. Russland hatte nicht nur die – von der UNO auf rund 900 bezifferten – Kämpfer der Front, sondern auch alle anderen von den Regierungen in Moskau und Damaskus unterschiedslos als «Terroristen» bezeichneten Rebellen im Ostteil Aleppos aufgefordert, während der dreitägigen Feuerpause ihre Waffen niederzulegen und die Stadt zu verlassen. Dieser Aufforderung folgten bis Samstagabend nach übereinstimmender Darstellung Russlands und der UNO jedoch weniger als 20 Kämpfer. Und nur ein Handvoll Zivilisten machte von der Möglichkeit Gebrauch, die Stadt zu verlassen.


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Eine Meinung zu

  • am 24.10.2016 um 18:48 Uhr
    Permalink

    "Und nur ein Handvoll Zivilisten machte von der Möglichkeit Gebrauch, die Stadt zu verlassen.» Interessant. Warum verlassen die Zivilisten den Stadtteil nicht? Liegt das vielleicht daran, dass sie erschossen würden? Weil die netten Rebellen noch ein Schutzschild brauchen? Wäre eine wichtige Information.

    In Mossul halten böse Kämpfer Zivilisten in der Stadt fest, als Schutzschild vor den Guten, die aber keine Zivilisten töten (deren Bomben treffen ausschliesslich böse IS-ler, und weichen Zivilisten aus, weil sie intelligent sind, klar?).
    Und in Aleppo sind die die Guten, die einen Schutzschild aus Zivilisten brauchen und die Zivilisten unter Todesdrohung daran hindern, zu den Bösen zu gehen?

    Man lerne:
    Wenn die Guten töten, ist das in Ordnung. Von den Guten getötete Zivilisten zählen gar nicht richtig als tote Zivilisten, weil sie von den Guten getötet wurden, die das ja nie tun würden. Wenn die Guten Zivilisten als Schutzschild missbrauchen, ist das auch in Ordnung.
    Die Bösen sind einfach böse, egal was sie tun.
    Alles klar?

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