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Die kambodschanisch-chinesische Freundschaftsbrücke in Phnom Penh © Xinhua

Demokratisches Feigenblatt in Kambodscha

Peter G. Achten /  Kambodschas Langzeit-Premier Hun Sen hat die Parlamentswahlen von Ende Juli bereits eigenmächtig entschieden. Undemokratisch.

Die letzten allgemeinen Wahlen im Jahre 2013 waren für den ehemaligen lokalen Khmer-Rouge-Führer Hun Sen ein Warnzeichen. Seine Kambodschanische Volkspartei (CPP) gewann erstmals seit Wiedereinführung der Demokratie 1993 nur knapp mit 48,8 Prozent der Stimmen und 68 Sitzen. Die oppositionelle Kambodschanische Nationale Rettungspartei (CNRP) kam auf 44,5 Prozent und 56 Sitze im 123 Abgeordnete zählenden Parlament. Die Opposition sprach von massivem Wahlbetrug.

Test

Im vergangenen Jahr wurden Gemeindewahlen durchgeführt. Sie galten als Test für die Parlamentswahlen vom kommenden 29. Juli. Und wieder war der Wahlsieg von Hun Sens Kambodschanischer Volkspartei wenig überzeugend. Die CPP erhielt 51 Prozent und die oppositionelle CNRP 47 Prozent der Stimmen. Die CPP blieb so zwar stärkste Kraft, verlor aber im Vergleich zu früher massiven Rückhalt in den Kommunen.

Neutral

Premier Hun Sen wurde noch unter vietnamesischer Besatzung 1985 Premierminister und ist es seither geblieben. Als Hun Sen vor dreiunddreissig Jahren an die Macht kam, hatte Kambodscha Jahrzehnte der Gewalt hinter sich. In den 1960er Jahren erklärte König Norodom Sihanouk Kambodscha für neutral, denn er wollte das Land aus dem Vietnamkrieg heraushalten. Mit Hilfe der Amerikaner putschte General Lon Nol. In den folgenden Jahren des Kampfes und massiver amerikanischer Bombardements erhielten die Widerstandskämpfer der Khmer Rouges Auftrieb und wurden von der Bevölkerung unterstützt. Nach dem Ende des Vietnamkrieges eroberten die Roten Khmer ganz Kambodscha.

Utopie

Khmer-Rouges-Chef Pol Pot – im kolonialen Frankreich zum Primarlehrer ausgebildet – begann mit seinen Kämpfern seine Khmer-Utopie eines völlig selbstgenügsamen Agrarstaates umzusetzen. Die Hauptstadt Phom Penh wurde innerhalb weniger Wochen evakuiert. Armeeangehörige, Intellektuelle, Lehrer, Beamte wurden ermordet. Während der Schreckensherrschaft der Roten Khmer kamen rund ein Viertel der Acht-Millionen-Bevölkerung ums Leben durch Hunger, Überarbeitung und Exekutionen. Ende 1978 griff Vietnam – provoziert durch Angriffe über die kambodschanisch-vietnamesische Grenze – ein und besetzte Kambodscha. Pol Pot zog sich mit seinen Kämpfern in den Dschungel zurück. China zusammen mit den USA unterstützte weiter die Roten Khmers, die auch den Sitz in der UNO beibehielten. Auch König Sihanouk blieb weiter Staatsoberhaupt. In dieser Funktion lebten er und seine Familie während der Jahre 1975-78 unter Hausarrest.

Bestimmende Figur

1989 zogen sich die Vietnamesen aus Kambodscha zurück. Zwei Jahre später kam es zum Waffenstillstand mit den Roten Khmer und 1993 fanden die ersten, von der UNO veranstalteten allgemeinen Wahlen statt. Hun Sen wechselte als Khmer-Rouges-Führer niederen Ranges bereits 1977 die Seiten. Im neuen, demokratischen Kambodscha war und blieb er die bestimmende Figur. Der langjährige Oppositionspolitiker Sam Rainsy handelte manchen Kompromiss mit Hun Sen aus, musste aber 2015 aufgrund zwielichtiger Anklagen das Land verlassen und lebt seither im französischen Exil.

«Goldener Drachen»

In seiner Aussenpolitik richtete sich Hun Sen anfänglich nach Westen aus. Von dort kamen zunächst die meisten Investitionen und vor allem die Hilfsgelder. In den letzten fünf, zehn Jahren änderte sich das langsam. China wurde immer wichtiger, zumal Hilfsgelder ungleich dem Westen an keine demokratischen oder menschenrechtlichen Bedingungen gebunden waren. «Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten» heisst das chinesische Mantra, das auch von der Assoziation Südostasiatischer Staaten (Asean) übernommen worden ist. Das Europaparlament befasste sich 2016 kritisch mit der Situation in Kambodscha, amerikanische Kongressabgeordnete forderten gar Sanktionen gegen das Land. So kam es, dass z.B. die chinesischen Hilfsgelder 2016 die amerikanischen um das vierfache übertrafen. China hat auch die militärische Zusammenarbeit verstärkt. Erstmals werden so im März gemeinsame Anti-Terror-Manöver unter dem Namen «Goldener Drachen» durchgeführt. Als Geschenk erhielt die kambodschanische Armee hundert Panzer und gepanzerte Fahrzeuge. Chinas Premier Li Kejiang unterzeichnete bei einem Besuch in Phnom Penh im Januar 19 Hilfs- und Investitions-Vereinbarungen.

Tribut

So versucht China mit Erfolg – ähnlich wie einst die Kaiser mit ihrem Tribut-System – in angrenzenden Ländern mit viel Soft Power, z.B. der Neuen-Seidenstrasse-Initiative, Punkte gut zu machen. Dazu gehören etwa Laos, Myanmar und eben Kambodscha. Doch die Situation bleibt fliessend, sowohl innerhalb der Asean als auch zwischen einzelnen Ländern. Das gilt insbesondere für jene sechs Staaten von China bis Vietnam entlang des 4’900 Kilometer langen Mekong-Flusses. Denn in der Mekong-Zusammenarbeit geht es um Lebenswichtiges: Flut, Trockenheit, Fischgründe, Staudämme. Allein für die Mekong-Kooperation gibt es verschiedene Kommissionen – eine von China, eine andere von den USA und eine dritte von Asean geführte.

Amerikanische Präsenz

Die USA bleiben, auch und besonders übrigens unter Präsident Trump, nicht untätig. Viele südostasiatische Staaten nämlich sind unter vorgehaltener Hand natürlich durchaus dankbar für die amerikanische Präsenz als Gegengewicht zu China. US-Verteidigungsminister Jim Mattis hat so im Januar Indonesien und Vietnam besucht. Im März wird erstmals ein amerikanischer Flugzeugträger Vietnam besuchen, ein Zeichen, das in Peking gewiss für hohe Aufmerksamkeit sorgen wird.

«Offene Diktatur»

Kambodschas Premier Hun Sen setzt offensichtlich ganz auf die China-Karte. Unterdessen bereitet er die Parlamentswahlen vom 29. Juli vor. Zunächst schloss er zwei Dutzend unabhängige Radiostationen und verbot – «wegen Steuerschulden» – die unabhängige «Cambodian Daily». In ihrer letzten Ausgabe mit dem Schliessungsbeschluss setzte die Tageszeitung auf der Frontseite den Titel: «Abstieg in die offene Diktatur». Im September 2017 liess Hun Sen Oppositionsführer Kem Sokha verhaften wegen «Hochverrat» und «Konspiration mit einer anderen Nation».

«Illegal 1993-2017»

Im November erfolgte dann die Auflösung der Kambodschanischen Nationalen Rettungspartei (CNRP). Die 56 Parlamentsabgeordneten verloren ihr Mandat. Auch auf Gemeindeebene gehen alle 5`000 CNRP-Mandate an Hun Sens Kambodschanische Volkspartei (CPP), es sei denn, die Oppositionspolitiker laufen zur CPP über. Damit nicht genug. Der dem Premier hörige Oberste Gerichtshof verfügte zudem, dass die Oppositionsführer Sam Rainsy, Kem Sokha sowie alle CNRP-Führer von «1993 bis 2017 illegal» seien.

«Noch weitere zehn Jahre»

Der 65 Jahre alte Premier Hun Sen jedenfalls hat vor, noch lange im Amt zu bleiben. «Nachdem ich gesehen habe», sagte er, «zu welchem Hochverrat manche Kambodschaner fähig sind, habe ich beschlossen, meinen Job noch weitere zehn Jahre zu machen». Wohlan denn, am 29. Juli haben die Kambodschanerinnen und Kambodschaner nur die Wahl zwischen der regierenden Volkspartei mit Hun Sen und einigen kleinen Parteien, die sich hüten werden, allzu lautstark Opposition zu machen. Diese Parteien werden Hun Sen als demokratisches Feigenblatt dienen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kommentiert: «Inzwischen scheint es Hun Sen egal zu sein, dass ausser seinen Parteikumpanen kein Mensch mehr daran glaubt, dass die Wahlen im Juli 2018 frei oder fair sein werden».


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Keine

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Eine Meinung zu

  • am 9.02.2018 um 00:23 Uhr
    Permalink

    Sehr gute Analyse der aktuellen Situation. Der gegenwärtige Machthaber Hun Sen ist mit allen Wassern gewaschen und Opportunist ersten Ranges, der sich immer nach dem aktuellen Wind richtet. Als ehemaliger Angehöriger der Roten Khmer ist er mitverantwortlich für den millionenfachen Völkermord, der nur unter der Protektion Chinas stattfinden konnte. Heute erinnert sich dieser Opportunist gerne an die frühere Unterstützung Chinas für den kambodschanischen Holocaust und nimmt jede Untersützung aus China gerne wahr. Die anfängliche Anlehnung an den Westen war nur ein taktisches Manöver. Heute gleicht Hun Sen zunehmend dem thailändischen Diktator Prayuth und ist in seinen Methoden nicht zimperlich als jener. Ausschaltung der Opposition mit korrupten Richtern, Presse- und Internetzensur gehören hier offensichtich ebenso zum Alltag wie in Thailand. Sollte Hun Sen jedoch erneut Grenzstreitigkeiten mit Vietnam anzetteln, wie schon gehabt unter den Roten Khmer, könnte das desaströs enden.

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