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Auf dem Tahrir Platz während der Ägyptischen Revolution 2011 © Wikimedia Commons

Facebook: Kommerz statt Meinungsvielfalt

Rico Schüpbach /  Social Media - im «arabischen Frühling» als revolutionäre Medien gefeiert, heute von Sport, Entertainment und Kommerz dominiert.

Red. Rico Schüpbach absolviert den Masterstudiengang «International Studies on Media, Power and Difference» an der Universität Pompeu Fabra Barcelona. Im Rahmen des Moduls «Global Justice» hat er die Abschlussarbeit «Is Generation Y politically lost? – A comparative journey through the most popular Facebook pages of Spain and Switzerland» (Original-Text) geschrieben. Für uns hat er die in Englisch geschriebene Arbeit zusammengefasst.

Klassische Printmedien, für welche die Leserinnen und Leser zahlen müssen, stecken in der Krise. Sinkende Abonnement-Zahlen und -Einnahmen sowie die zunehmende Kommerzialisierung von journalistischen Inhalten (Native Advertising) sind nur einige der Anzeichen für eine tiefgreifende Veränderung der Medienlandschaft im traditionellen Sinne. Die beiden Gratiszeitungen 20 Minuten und Blick am Abend hingegen haben sich in den letzten Jahren zu den meist gelesenen Medien der Schweiz entwickelt. Insbesondere die Generation Y (alle zwischen 1980 und 2000 Geborenen) informiert sich vorzugsweise auf Online-Medien und Social Media. Lange Artikel, die einen gewissen Rechercheaufwand erfordern, scheinen weniger gefragt zu sein.

Bereitschaft, für journalistische Inhalte zu bezahlen, sinkt

Doch weshalb ist das so? Der bekannte US-amerikanische Medienkritiker Ben Bagdikian nannte in seinem 2004 erschienenen Buch «The Media Monopoly» zwei Hauptgründe für das schwindende Interesse. Die Generation Y fühlt sich von den klassischen Medien zu wenig ernst genommen. Die meisten Artikel, die einen Bezug zur Generation Y herstellen, handeln über sie, anstatt die Vertreterinnen und Vertreter dieser Generation selbst zu Wort kommen zu lassen. Zitiert werden in solchen Artikeln Expertinnen und Experten, die dieser Generation nicht angehören, aber Aussagen über deren Verhalten treffen. Dies führt dazu, dass sie sich nicht angesprochen fühlen.

Ein weiterer Grund ist der Vertrauensverlust seitens der Leserinnen und Leser wegen Skandalen. Neben diesen Hauptgründen scheint die Bereitschaft, für journalistische Inhalte zu bezahlen, allgemein und über alle Altersgruppen hinweg zu sinken. Es hat sich im Zuge der digitalen Revolution eingebürgert, dass man auch ohne Geld zu Inhalten gelangt. Für den Reuters News Report 2017 wurden in über 36 Nationen 70‘000 Menschen zu ihrem Online-Medienkonsum befragt. 51% der Befragten gaben an, Social Media seien für sie eine Newsquelle. 12% benutzen Social Media bereits als Hauptquelle.

Information und Revolution

Neben der Funktion als Newsquelle dienen Social Media auch als Tool, um sich mit Gleichgesinnten zu verbinden. In Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling 2010 wurden Social Media erstmals als revolutionäre Medien genannt, teilweise wurde das Ereignis als «Facebook-Revolution» bezeichnet. Beteiligte der Revolution empfanden diese Aussage jedoch als Hohn in Anbetracht dessen, dass die reale Revolte auf der Strasse stattfand und Hunderte Todesopfer forderte. Was ist also dran an der viel beschworenen Demokratisierung der Stimmen? Führen Social Media, insbesondere Facebook, zu mehr Meinungsvielfalt oder dominiert das Kapital?

Das Online-Analyse-Tool «socialbakers» führt Rankings über die meist gelikten Facebook Pages weltweit. Die Auswertungen lassen sich auch auf einzelne Länder herunterbrechen. Die nachfolgenden Auswertungen für die Schweiz zeigen, dass die meisten Seiten nichts mit Meinungsbildung oder -vielfalt zu tun haben.

Unter den 20 Top-Seiten nur ein Medium…

Unter den 20 Seiten mit den meisten Fans dominieren Sport-Seiten. 37% sind Pages von Sportlerinnen und Sportlern oder Vereinen. Bei 27 % der Seiten geht es um Entertainment (Musiker, DJs und Stars). 21% der Pages verfolgen ein kommerzielles Ziel. Die restlichen 15% splitten sich in Medien, Wissenschaft und Kunst auf. Konkret bedeutet dies, dass jeweils eine Seite von den drei zuletzt genannten Kategorien unter den 20 meist gefolgten Seiten vorhanden ist. Beim Medium handelt es sich um das The Watches Magazine der in Genf sesshaften ACE Publishing S.A..

Wie der Name des Magazins bereits verrät berichtet die Publikation über News der Uhrenbranche. Der Seite folgen 1.1 Mio. Personen. Zum Vergleich: Dem meist gelesenen Medium der Deutschschweiz (20 Minuten) gerade mal 495‘000 Personen. Die Auswertung zeigt zwar Seiten aus der Schweiz, es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass sich ein Grossteil der Fans in anderen Ländern befindet. Bei Roger Federers Facebook Page ist dies mit knapp 15 Mio. Fans offensichtlich, da sie die Zahl der Schweizer Facebook User von 3.7 Mio. um ein Vielfaches übersteigt.

…und eine politische Stimme

Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass Sport, Entertainment und kommerzielle Inhalte das Ranking der 20 meist gefolgten Facebook-Seiten der Schweiz dominieren. Einzige Ausnahme bildet die Präsenz von Tariq Ramadan. Dem Westschweizer Islamwissenschaftler folgen 2.06 Millionen Personen auf Facebook. Es handelt sich dabei um die einzige politische Stimme in einem hochkommerzialisierten Umfeld. Seine konservativen Ideologien sollten jedoch mit Vorsicht genossen werden. Insbesondere seine Positionen gegenüber Lesben und Schwulen sind problematisch.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Rico Schüpbach (Bachelor in Business Communications an der Hochschule für Wirtschaft Zürich) arbeitet neben seinem Studium in International Studies on Media, Power and Difference an der Universität Pompeu Fabra Barcelona als PR-Berater.

Zum Infosperber-Dossier:

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Konzerne und Milliardäre mischen immer mehr mit. – Die Rolle, die Facebook, Twitter, Google+ spielen können

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2 Meinungen

  • am 26.07.2017 um 18:10 Uhr
    Permalink

    Ich denke dass «Geiz ist Geil» Idee immer noch seine Gültigkeit hat.Wozu bezahlen wenn alles «Gratis» ist. Aber gleichzeitig bin ich überzeugt, dass die Presse zum Teil mindestens daran mitschuldig ist. (Skandale, Falsch-Informationen, Übertriebenheit usw.) Facebook und Co. hat für mich überhaupt Keinen Informationsgehalt und ist nur dank Kommerzialisierung usw. gratis. Ich denke, dass es über längere Zeit an Interesse eh verlieren wird. ich benutze es zwar noch wegen meinen Freunden überall. Aber auch dies hält sich in Grenzen. Ich informiere mich über diverse Quellen (CNN, BB SRF, div. D-Sender usw.) Auch das Niveau der Gratismedien lässt m.E. zu wünschen übrig.

  • am 30.07.2017 um 16:23 Uhr
    Permalink

    Ich stelle die Aussagen nicht generell in Abrede, aber mir fehlt schon sehr der Bezug zur Umwelt.
    So ist ja ein ganz erheblicher Teil der Mediennutzung offline und ausserhalb von Facebook gleichartig zum beschriebenen. Auch da kommen Tennisspieler und andere Cervelatprominente klar besser weg als Politik und Weltgeschehen. Nur tummeln sich da die Konsumenten von gelbem Heft, Schweizer Familie und Blick eben nicht am selben Ort wie jene der Zeit, SZ oder der WOZ. Deswegen fände ich es schon sehr interessant, wenn man die hier gemachten Aussagen etwas einbettet, das wäre für mich im übrigen die journalistische Leistung, das jammern über Zustände nicht.
    Die Aussage allerdings, die Bereitschaft für journalistische Leistung zu bezahlen würde abnehmen, ziehe ich in Zweifel. Frage dazu: wo bekomme ich denn heute noch Medienprodukte mit echter journalistischer Leistung – es sei denn auf kostenlosen Portalen? Die Printmedien haben sich geschrumpft und meist auf Skandälchenverbreitung (tagi, 20min…) oder Rechtsaussenkampagnen (ww, nzz,baz…) verlegt. Für mich ist beides keine journalistische Leistung und deswegen bin ich auch nicht mehr bereit dafür zu bezahlen. Also auch hier: stimmt die Aussage und, falls, in welchem Kontext. Tut mir leid, aber unter dem Strich halte ich diesen Artikel für wenig fundiert und von sehr geringer journalistischer Leistung. (=> für den würde ich jetzt zB sicher nichts bezahlen)
    nb: Federer erreicht naturgemäss weltweit Leute, lokale Medien nicht.

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