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Vorbereitung der US-Marine für NATO-Manöver Trident Juncture 2018 © Department of Defense / Public Domain

Grösste Kriegsübung der NATO seit Ende des Kalten Krieges

Andreas Zumach /  NATO und Russland treiben sich seit 2014 laufend zu verstärkten Militärmanövern und zur Verlegung von Truppen in grenznahe Regionen

Die NATO hat in der Nacht zum Donnerstag in Norwegen ihre grösste Kriegsübung seit dem Fall der Berliner Mauer vor knapp 30 Jahren begonnen. Mit dem zweiwöchigen Manöver unter dem Namen «Trident Juncture» soll nach Auskunft von NATO-Militärs «die Zusammenarbeit beim Einsatz in grossen Schlachten geübt» sowie «Entschlossenheit gegenüber Russland demonstriert» werden. Beteiligt sind 50.000 Soldaten aus allen 29 Mitgliedstaaten der Militärallianz sowie aus ihren beiden skandinavischen «Partnerländern» Schweden und Finnland. Die deutsche Bundeswehr stellt mit 10.000 Soldaten das zweitgrösste Kontingent nach den USA. Rund 10.000 Panzer und andere Fahrzeuge, 65 Kriegsschiffe sowie 150 Kampfflugzeuge und -hubschrauber kommen auf dem norwegischen Festland, in der Ostsee und im Nordatlantik bis nach Island sowie im darüberliegenden Luftraum zum Einsatz. Die USA haben zudem ihren Flugzeugträger «Harry Truman» in das Manöver entsandt.

«Kriegsgefahr so hoch wie lange nicht»

Bei dem Manöver wird nach offizieller Sprachregelung der NATO «die Wiederherstellung der Souveränität in Norwegen nach einem Angriff durch einen fiktiven Aggressor simuliert». Klar ist, dass es sich bei dem angenommenen Aggressor um Russland handelt, das sowohl mit Norwegen wie mit dem NATO-«Partnerland» Finnland gemeinsame Grenzen hat. Seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland im Frühjahr 2014 und wegen der anhaltenden Unterstützung Moskaus für die Aufständischen in der Ostukraine behauptet die NATO eine neue und wachsende Bedrohung ihrer Mitgliedstaaten, insbesondere in Osteuropa, durch Russland. Beide Seiten haben ihre Manövertätigkeit zu Lande, auf See und in der Luft seit 2014 laufend eskaliert und zusätzliche ständige oder rotierende Truppenkontingente in die grenznahen Regionen verlegt. Die NAT0 hat seit 2015 eine auch als «Speerspitze» bezeichnete «Eingreifgruppe mit sehr hoher Einsatzbereitschaft» (VJTF) mit insgesamt 5.000 Soldaten aufgestellt, zum «Schutz» ihrer osteuropäischen Mitgliedsstaaten. 2019 übernimmt die deutsche Bundeswehr die Führung der «Speerspitze». Der Brigadegeneral Michael Matz erklärte, die 10.000 an dem Manöver in Norwegen beteiligten Bundeswehrsoldaten seien «mit allem ausgerüstet, was sie für eine erfolgreiche Teilnahme benötigen».
«Es ist aberwitzig, gefährlich und provokant gegenüber Russland, im gegenwärtigen Klima das grösste Nato-Manöver seit 30 Jahren in Norwegen zu starten», kritisierte der Fraktionschef der Linken im Deutschen Bundestag, Dietmar Bartsch. Denn, «die Kriegsgefahr» sei «so hoch wie lange nicht». Sein Fraktionskollege Alexander Neu verwies zudem darauf, dass die Nato-Staaten zuletzt mehr als 14-mal so viel Geld für die Verteidigung ausgegeben hätten wie Russland. Russland habe «momentan weder die materiellen noch die finanziellen und auch nicht die personellen Fähigkeiten, um die Nato überhaupt erfolgreich angreifen zu können».
Russland wurde von der NATO über das geplante Manöver informiert und zur Beobachtung eingeladen. Die Regierung in Moskau zeigte sich dennoch verärgert. Verteidigungsminister Sergej Schoigu warnte, Moskau könne gezwungen sein, auf die gesteigerten Nato-Aktivitäten in der Nähe seiner westlichen Grenze zu reagieren. Russland könnte Umfang, Häufigkeit und Dauer der eigenen Manöver sowie Truppenstationierungen in Grenznähe zum NATO-Territorium weiter erhöhen und damit der Behauptung der NATO von der gewachsenen Bedrohung ihrer osteuropäischen Mitglieder zusätzliche Nahrung geben.

Das militärisch unterlegene Russland analytisch verstehen statt mit Kriegsübungen zu provozieren – ein Kommentar

Die grösste Kriegsübung der NATO seit dem Fall der Berliner Mauer ist gefährlich, provokativ und eine gigantische Verschleuderung von Steuergeldern aus den beteiligten 31 Staaten. Sie wird dazu führen, den neuen Kalten Krieg mit Russland weiter anzuheizen und die Kräfte in Moskau stärken, die mit ähnlicher Münze reagieren wollen. Die Bedrohungsbehauptung, mit der die NATO diese Kriegsübung und ihr seit
2014 ständig verschärftes Verhältnis zu Russland rechtfertigt, beruht auf einer falschen Analyse. Scharfe Kritik an der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland und an Moskaus fortgesetzter Unterstützung für die Aufständischen in der Ostukraine ist richtig. Dieses Vorgehen Russlands entsprang und entspringt dem sicherheitspolitischen Interesse, den Militärhafen Sewastopol auf der Krim nicht zu verlieren und die von der NATO in Aussicht gestellte Aufnahme der Ukraine zu verhindern. Dieses Interesse Moskau muss man nicht billigen, aber doch analytisch verstehen, in seiner Begrenzheit auf die Krim und die Ukraine. Es gibt darüber hinaus überhaupt kein Indiz, dass Russland ein Interesse haben könnte, militärisch gegen die osteuropäischen Mitgliedsstaaten der NATO vorzugehen. Ganz abgesehen davon, dass Russland dazu auch nicht mit Aussicht auf Erfolg in der Lage wäre, angesichts seiner realen militärischen Unterlegenheit gegenüber der NATO.
Der mit immerhin 10.000 Soldaten beteiligten Bundeswehr dient das Manöver zur Vorbereitung auf ihre künftige Führungsrolle bei der NATO-Eingreiftruppe für Osteuropa. Das einzig Positive ist die Mitteilung von Brigadegeneral Michael Matz, die deutschen Soldaten hätten alles, was sie für eine erfolgreiche Teilnahme an dem Manöver brauchten. Selbst für den Fall, dass die Temperaturen tief unter den Gefrierpunkt fielen, seien dicke Wollunterhosen und andere ausreichend warme Kleidungstücke vorhanden. Diese Mitteilung des Generals entlarvt die ständigen Klagen über eine angeblich mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr, in die sich auch manche VerteidigungspolitikerInnen der oppositionellen Grünen von Militärministerin von der Leyen allzu gerne einbinden lassen, als Zwecklügen, um die von der Bundesregierung angestrebte drastische Erhöhung der Militärausgaben durchzusetzen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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5 Meinungen

  • am 26.10.2018 um 17:04 Uhr
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    Wieder mal ein gutes Beispiel, das zeigt WER wirklich für den Weltfrieden brandgefährlich ist: die NATO, sprich: die USA, die de facto die grossen Entscheidungen der NATO bestimmen. Die USA, denen es immer wieder gelingt, ihre Kriege zu exportieren und im eigenen Land ungeschoren davon zu kommen – daher auch der extreme Aufschrei auf 9/11 und den 3000, natürlich tragischen, zivilen Opfern (Irak-Krieg: ungefähr eine Million natürlich auch tragischer zivilen Opfern) …) Nach dem Zusammenbruch des Warschau-Paktes hat, entgegen allen Erklärungen, sich die Nato schleunigst die meisten ehemaligen Warschau Pakt-Mitglieder einverleibt, bis hart an die russische Grenze….Mehr als verständlich, dass Russland alles tut, damit sich nicht auch noch die Ukraine dazu gesellt … Die USA manipulieren die ganze Welt, provozieren überall, greifen direkt – Irak usw – oder indirekt (CIA) überall ein – und sind selber schön geschützt von zwei Weltmeeren im Osten und Westen, einem maroden Staat im Süden und einem neutralen Kumpel im Norden. Schön für sie, aber man wünscht sich, dass sie den Rest der Welt etwas mehr Ruhe lassen. Aber da ist Zuviel verlangt: sie denken, sie seien die Besten und hätten daher den berechtigten Anspruch, Welt-Polizist zu spielen. Nicht nur heuchlerisch angesichts ihrer eigenen Taten, sondern auch brand-gefährlich.

  • am 26.10.2018 um 17:15 Uhr
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    Wo bleibt die Analyse zur Motivation für das erneute Schüren des Kalten Kriegs? Macht das industriell-militärisch Komplex zu wenig Gewinn? Wird angesichts der prekären globalen Finanzlage ein Ablenkungsmanöver gestartet? Das Trommeln gegen Russland wegen der Krim ist absurd, wenn man sich an den Einmarsch der Nato in Afghanistan erinnert. Also – warum, und wer hat was zu gewinnen?

  • am 27.10.2018 um 01:20 Uhr
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    Hallo, Mitglieder der Redaktion ! Ihr scheint mir schon echte Angsthasen zu sein, wenn es darum geht, Meinungen, welche die Aussenpolitik der USA an den Pranger stellen, zu veröffentlichen . Ist doch kaum zu fassen, wenn zu diesem explosiven Thema der NATO Manöver , der Info-"Sperber» angibt «noch kein Meinungen» erhalten zu haben, und dies 12 Stunden nach der Veröffentlichung des Artikels ….. Ich habe mir von einem «unabhängigen» Newsportal mehr Mumm erwarte. Aber vielleicht, hoffe ich noch, erscheint heute Morgen ein Schwall von Meinungen – darunter vielleicht auch Meine. Gruss. BS

  • am 27.10.2018 um 09:59 Uhr
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    Mit Trident Juncture zeigen die Amerikaner und Briten vor allem eines, nämlich dass für beabsichtigte Angriffe gegen Russland das westeuropäische Gebiet zum Kriegsschauplatz präpariert wird. Damit wird auch sichtbar, dass die NATO vor allem der verlängerte Arm des US-Militär-Komplexes ist. Schon seit Jahren werden US-Atomwaffen über die westeuropäischen Strassen an die entsprechenden westeuropäischen Militärstützpunkte geliefert. Keine empörenden Töne darüber in den Medien, die Politiker verlieren keine Worte darüber. Ist ja zum Schutze Westeuropas gegenüber den «bösen Russen»!!! Diese faule und hinterhältige Rechtfertigungs-Version zieht anscheinend bei den Westeuropäern immer noch. Unterdessen springt so allmählich die brutale anglo-amerikanische Politik zunehmend negativ auch den europäischen Bevölkerungen – insbesondere im Westen –ins Auge. Doch Westeuropa hat sich dieses anglo-amerikanische Vorgehen einfach gefallen zu lassen, nämlich dass vor den eigenen Augen auf eigenem Boden in den eigenen westeuropäischen Ländern ein vernichtender Weltkrieg vorbereitet und ermöglicht wird. Es ist einfach nicht zu fassen, dass sich die Westeuropäer – insbesondere die Politiker – nicht dagegen mit Empörung in den Medien melden.

    Denken wie im Kalten Krieg: Trident Juncture – so sieht Nato einen Angriff auf Europa
    https://krisenfrei.com/denken-wie-im-kalten-krieg-trident-juncture-so-sieht-nato-einen-angriff-auf-europa/

  • am 28.10.2018 um 10:54 Uhr
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    Selbst Infosperber ‹benutzt› jetzt die Formulierung: ‹völkerrechtswiedrige Annexion der Krim›. Da gibt es doch gewichtige Stimmen, die das nicht so absolut sehen. Wäre da nicht eine etwas ausgewogenere Formlierung am Platz?

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