Jemen_Hunger_NYT_Front

Auf der Titelseite der "New York Times": Die 7-jährige Amal Hussain wird vom Hunger aufgezehrt © NYT

Manche Leserinnen und Leser möchten da wegschauen

Urs P. Gasche /  Mit drastischen Bildern ruft die «New York Times» zum Hinschauen auf. Der Krieg in Jemen soll uns mehr beschäftigen als Kashoggi.

Die Zeitung «New York Times» (NYT) zögerte, ob sie diese brutalen Bilder abdrucken soll. Die Redaktion veröffentlichte das obige Bild der 7-Jährigen, vom Hunger gezeichneten Amal Hussain schliesslich sogar auf der Frontseite. Es sei brutal, «aber brutal ehrlich». Das Bild lege das Grauen im heutigen Jemen offen. Die Leserinnen und Leser könnten jetzt entscheiden, ob sie weitere Bilder sehen und weiter lesen möchten oder nicht.

Zivilbevölkerung leidet unter Hunger und Krankheiten

«Wir können überhaupt nicht verstehen, weshalb der Fall Kashoggi weltweit so viel Aufmerksamkeit erhält, während Millionen von Kindern in Jemen bitter leiden. Um sie kümmert man sich einen Dreck», klagt Mekka Mahdi, Ärztin in einer primitiven, überfüllten Klinik in Aslam an Nashiri, einer kleinen Stadt im Nordwesten von Jemen.

NYT-Reporter Declan Walsh und NYT-Fotograf Tyler Hicks haben sich im Oktober im Norden Jemens so gut es ging vor Ort umgesehen und mit vielen Flüchtlingen, Einwohnern und Helfern gesprochen. Unter dem Titel «Saudi-Arabiens tragischer Krieg» berichteten die beiden in der «New York Times» über einen «niederträchtigen Krieg». Das Land stehe vor einer «Hungerkatastrophe».

Bassam Mohammed Hassan leidet in einem Spital in Sana unter schwerer Fehl- und Unterernährung sowie zerebraler Lähmung. Von zwei Millionen fehlernährten Kindern seien 400’000 bereits exrem krank bis todkrank, berichten die NYT-Reporter. Alle Bilder: Tyler Hicks, NYT.
Zwei Gründe seien für Hunger und Fehlernährung verantwortlich:

  1. Die saudische Koalition habe mit Unterstützung der USA die wirtschaftliche Infrastruktur wie Brücken, Transportwege, Wasser- und Stromversorgung systematisch bombardiert.
  2. Wo es noch genügend, aber immer teurere Lebensmittel gibt, haben sehr viele Leute kein Geld, um sie zu kaufen.

Die NYT-Reporter berichten von vielen Leuten, welche ihr Hab und Gut verkauft haben, um sich Lebensmittel zum Überleben zu kaufen. «Millionen von Menschen werden in die absolute Armut getrieben.» Acht Millionen Menschen überleben nur noch dank internationaler Nothilfe, die jedoch durch Hafenblockaden der Saudis stark behindert würde. «Saudi-Arabien kontrolliert den Luftraum und das Meer so gründlich, dass die Einwohner Jemens wie in einem Gefängnis leben.»
Iran, das im Gegensatz zu Saudi-Arabien von Jemen weit entfernt liegt und keine gemeinsame Grenze hat, kann schon seit langem kaum mehr zivile oder militärische Hilfe bieten. In den von den Huthis kontrollierten Gebieten würden skrupellose Kommandanten versuchen, durchkommende Hilfe internationaler Organisationen fürs eigene Geschäft abzuzweigen. Der Schwarzmarkt mache Einzelne sogar reich. Auch sie seien am Elend mitschuldig.

Am Schluss erklärt die «New York Times» nochmals, warum sie die schrecklichen Bilder veröffentlichte:
«Die Tragödie in Jemen ist keine Naturkatastrophe. Sie ist das Resultat von Führern anderer Länder, die für ihre politischen Ziele ein unerhörtes Leiden der Zivilbevölkerung in Kauf nehmen. Das Schicksal Jemens mit dem unermesslichen Leid kann man mit Worten allein nicht beschreiben. Die Bilder berichten brutal, aber ehrlich.»


Gebiete, in denen Hunger und Fehlernährung am verbreitetsten sind. Grössere Auflösung der Karte hier.
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Infosperber hat regelmässig über die Tragödie in Jemen informiert: DOSSIER: DER KRIEG IN JEMEN.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Jemen

Der Krieg in Jemen

Die von den USA unterstützte saudische Koalition hat gezielt die Infrastruktur des armen Landes zerstört.

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9 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 29.10.2018 um 11:55 Uhr
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    An Bilder glauben Leute nicht, die selber mit diesem Mittel schon manipuliert haben; neuere Fotos auch von Flüchtlingskindern waren Propaganda. Dass man so arbeitet, lernte ich vor 55 Jahren, als ich mir Film Africa addio anschaute, wiewohl Brutalitäten und Elend auf Leinwand so echt waren wie Porno. Fotos zeigen keine Ursachen, sprechen Dumme an und wer sonst auf Propaganda reinfällt. Gilt leider auch für Bildmaterial 9/11, wiewohl ich keineswegs an die herumgebotenen Theorien glaube. Recherchieren ist auf jeden Fall etwas anderes als fotografieren, wiewohl ich als Exprofi dem Berufsstand des Reporters höchste Achtung bezeugen möchte. Es war auch eine Meisterfoto vom Vietnamkrieg, wie das weinende davonrennende nackte Mädchen gezeigt wurde. Das war mehr wert für erfolgreiche Kriegsführung als eine Milliarde für Napalmbomben und wohl kriegsentscheidend; aber nur Idioten konnten es anders realisieren als dass dieses Bild ein Akt der Kriegsführung war. Als besten Vietnamfilm schätze ich «Full metal Jacket» von Stanley Kubrick, wiewohl auch dieser Film die Hintergründe des Vietnamkriegs nicht zeigen konnte. Militärgeschichtlich aber immer noch ein grandioses Dokument, weil ersichtlich wird, dass ein gezielter Einzelschuss einer motivierten Kämpferin, vgl. Wilhelm Tell, mehr bringt als Milliarden aus einer korrupten Kriegsmaschine. Aber Bilder an sich bleiben in etwa so demagogisch wie die primitiven Messerstecherinserate der SVP, obwohl Fotos von Messerstechern möglich wären.

  • am 29.10.2018 um 12:28 Uhr
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    Nichts dergleichen, es sind sicher viele Leser des Infosperbers inkl. meine Wenigkeit, die gar nicht wegschauen, sondern diesen westlichen Brutalitäten mit aller Unerträglichkeit ins Gesicht schauen. Was der Westen mit diesem Land treibt – wie auch immer dazu die Waffenströme der westlichen Regierungen dorthin laufen – ist schlicht und einfach Genozid auf Raten, auch wenn Redaktor Gasche solche Bezeichnungen nicht hören möchte. Es ist so!!!

    Und die ganze Welt schaut seit Jahren diesem mörderischen und unmenschlichen Treiben still und schweigend zu.

  • am 29.10.2018 um 16:01 Uhr
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    Die Unverhältnissmässigkeit Kashoggi/Jemen in der Medienaufmerksamkeit ist tatsächlich schockierend.

  • am 29.10.2018 um 17:25 Uhr
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    Laut der New York Times ist einer der Gründe für den furchtbaren Hunger und die Fehlernährung im Jemen, dass die saudische Koalition mit Unterstützung der USA die wirtschaftliche Infrastruktur wie Brücken, Transportwege, Wasser- und Stromversorgung systematisch bombardiert.

    Der Krieg im Jemen kann nur dank den Waffenlieferungen und der logistischen Unterstützung der USA und Grossbritanniens im Gange gehalten werden. Trotzdem werden die Waffenexporte der Schweiz nach den USA und Grossbritannien fortgesetzt, mit dem Segen des Bundesrates. Die Schweiz darf jedoch Staaten die Kriege führen kein Kriegsmaterial liefern. Im Artikel 5 der Kriegsmaterialverordnung wird festgehalten: Kriegsmaterialexporte sind verboten», wenn das Bestimmungsland in einem internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist»;
    Kriegsmaterialverordnung, KMV), vom 25. Februar 1998 (Stand am 1. Oktober 2015)

    Diese Verbot Kriegsmaterial auszuführen an Staaten, die in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind, existiert in der Kriegsmaterialverordnung seit 1973, und wurde nie eingehalten. Laufend wurden seit 1973, wie früher auch schon, Staaten mit Rüstungsgütern beliefert die Kriege führten.
    Auch in Somalia, wie in Afghanistan führen die USA Krieg. US-Soldaten sind in Somalia im Einsatz. Die USA bombardieren Somalia immer wieder mit Drohnen und Jets. In Somalia ist seit über 25 Jahren die schweizerische Organisation Swisso Kalmo tätig. http://www.swisso-kalmo.ch

  • am 29.10.2018 um 18:12 Uhr
    Permalink

    Seit die Medien von Militärs bei der Kriegsberichtserstattung aus «Sicherheitsgründen» begleitet werden und die Propaganda (oder PR) Kriege als humanitäre Interventionen bezeichnen sind solche schrecklichen Bilder selten geworden. Die Schrecken des Krieges werden im Westen unsichtbar gemacht. Die Lethargie (evt. Glichgültigkeit) in der (westlichen) Bevölkerung beweist, dass es viel zu gut funktioniert. Wie sonst kann der Bundesrat der Bevölkerung Waffenlieferung nach Saudi-Arabien als unproblematisch verkaufen? Der Krieg im Jemen geht seit über drei Jahren und noch immer wird er weitgehend ignoriert. Die Kontrolle der Wahrnehmung hat beeindruckende und vor allem beängstigende Ausmasse angenommen!

    Danke fürs Sichtbar machen. Ich bin sicher, so mancher Leser wird einige NR und BR gerne noch persönlich per Mail und Brief darauf aufmerksam machen.

  • am 30.10.2018 um 09:40 Uhr
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    Die moralisch und praktisch beste und einfachste Methode für die Schweiz wäre ein Total-Verbot von Kriegsmaterial-Exporten.
    Waffen werden ausschliesslich für Kriege produziert. Alles andere ist scheinheilig.

    Die einheimische Rüstungsindustrie könnte man unter Heimatschutz stellen und wie den Ballenberg zu einem Indoor-Museum machen für die ewig gestrigen Söldner und um der jungen Generation zu zeigen, welch dumme Strategien der Friedensverhinderung früher noch akzeptiert waren.

    Die Realität zeigt doch: Es gibt keinen Schutz vor Krieg durch eine Armee.

    Die einzige nachhaltige Alternative der Friedenssicherung ist Einsatz und Einforderung des Völkerrechts und Förderung der Völkerverständigung durch Dialog, Kooperation und Gewaltlosigkeit.

    https://www.friedenskraft.ch/

  • am 31.10.2018 um 15:25 Uhr
    Permalink

    "Blick» schrieb am 24.10.2018
    …."Die Flugzeugwerke Pilatus und die saudische Luftwaffe haben 2017 einen Vertrag abgeschlossen. Pilatus leistet in Saudi-Arabien sogenannte Unterstützungsleistungen für die 55 PC-21, welche die Saudis bei Pilatus gekauft haben. Dazu hat Pilatus laut dem «Tages-Anzeiger» in Riad extra das Personal aufgestockt.
    Pilatus wollte nichts dazu sagen. Laut der Zeitung begleiten Pilatus-Angestellte das Training der saudischen Militärpiloten. Zudem unterhalten sie die Flugzeuge und betreuen die Flugsimulatoren.»….

    Der Artikel von Herrn Gasche zeigt die verheerenden Auswirkungen der mit indirekter schweizerischer Unterstützung (Training der Bomberpiloten durch PILATUS) geführten zerstörerischen Bombardements der Saudischen Luftwaffe. Das ist Beihilfe zur Zerstörung der Infrastruktur Jemens und somit Beihilfe zur gegenwärtig weltweit grössten humanitären Katastrophe mit Millionen Opfern.

  • am 4.11.2018 um 23:57 Uhr
    Permalink

    Jemens Öl-Reserven sind angeblich größer als die von Saudi-Arabien, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emirate zusammengenommen.

    "Es sollte ergänzt werden, dass im Gebiet von Al-Jauf nahe der Grenze zu Saudi-Arabien gewaltige Öl-Reserven entdeckt worden sind. Es wird geschätzt, dass sie größer sind als die Öl-Felder von Saudi-Arabien, Kuwait und der Vereinigten Arabischen Emirate zusammengenommen."

    Das reicht den westlichen Machtgruppen – wie es aussieht – einen Völkermord im Jemen zu rechtfertigen. Die lästige Bevölkerung hindert ja nur daran, diese Ölreserven auszubeuten – also weg mit ihr. Das Öl oder Gas – egal wo entdeckt auf der Erde – gehört den Mächtigen. Da geben sich Imperialismus und Kolonialismus doch geradewegs die Hand. Und die meisten westeuropäischen Länder sind bei dieser Ausbeutung mit von der Partie in Form von Waffenlieferungen, Waffentraining und Gelder «für den Frieden». Welche heuchlerische Rolle dabei die UNO spielt, lässt sich aus dem Geschehen ersehen. Da wird doch der letzte Funke Hoffnung für eine menschlichere Welt komplett zerstört.

    Der wahre Grund des Jemen-Kriegs?
    http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25341

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