Kommentar

Skepsis nach Erfolgsmeldung des UNHCR

Andreas Zumach © zvg

Andreas Zumach /  Zu den Finanzzusagen über 7,7 Milliarden US-Dollar für die internationale Flüchtlingshilfe bleiben zunächst Skepsis und Fragen.

«Das erste Globale Flüchtlingsforum der UNO mit 3’000 Vertretern von Regierungen, Wirtschaftsunternehmen und humanitären Organisationen hat eine entscheidende Wende in der internationalen Flüchtlingshilfe gebracht. Es gab verbindliche Finanzzusagen über 7,7 Milliarden US-Dollar – darunter allein 4,7 Milliarden von der Weltbank – sowie 770 weitere Verpflichtungserklärungen für eine verstärkte Aufnahme von Flüchtlingen und für ihre vereinfachte Integration durch verbesserte Zugangsmöglichkeiten zu Beschäftigung und Ausbildung.»

Diese erfreulich klingende Erklärung des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) in Genf zum Abschluss des zweitägigen Forums am Mittwochabend überrascht doch sehr angesichts der düsteren Bestandsaufnahme über Milliardendefizite und die mangelnde Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen, mit der UNO-Generalsekretär Antonio Guterres die Veranstaltung am Dienstagmorgen eröffnet hatte. Es bleiben zunächst Skepsis und Fragen, insbesondere mit Blick auf das versprochene Geld.

Denn bereits Ende 2018 hatte das UNHCR gegenüber den 193 UNO-Mitgliedsstaaten für die Versorgung der weltweit über 70 Millionen Flüchtlinge im Jahr 2019 einen Finanzbedarf von zehn Milliarden angemeldet. Doch erhielt das UNHCR erst 40 Prozent dieser dringend benötigten Gelder. Wieso kamen dann aber auf dem Forum innerhalb von 36 Stunden Zusagen von 7,7 Milliarden Dollar zusammen? Handelt es sich bei diesen Zusagen tatsächlich um frisches Geld? Also um Geld, das nicht zuvor bereits schon bei anderen Konferenzen zugesagt wurde? Oder um Gelder, die jetzt aus anderen Haushaltsetats – zum Beispiel aus der Entwicklungszusammenarbeit – in das Budget für Flüchtlingshilfe umgeschichtet werden?

Dieser auch durch die Erfahrungen mit früheren Geberkonferenzen begründete Verdacht wird bestätigt durch eine «Meldung zur Klarstellung», die das UNHCR am Donnerstagmittag verbreitete. Danach sollen 2,5 Milliarden der insgesamt 4,7 Milliarden US-Dollar, die die Weltbank zugesagt hat, verwendet werden «zur Förderung der Privatwirtschaft und zur Schaffung von Arbeitsplätzen sowohl für Flüchtlinge wie für die einheimische Bevölkerung». Die weiteren zwei Milliarden Dollar sollen «in den nächsten drei Jahren zur Verfügung stehen für Flüchtlinge und Einheimische in Ländern mit geringem Einkommen». Das klingt zumindest zum Teil eher nach traditioneller Entwicklungshilfe der Weltbank.

Ob die auf dem Forum gemachten Versprechen reicher Staaten zur verstärkten Übernahme von Flüchtlingen aus unsicheren Erstaufnahmeländern auch umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Die EU hat laut der Erfolgsmeldung des UNHCR die zusätzliche Aufnahme von 30’000 Menschen zugesagt. Diese Zusage steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass sich die 28 EU-Mitglieder zuvor auf die Verteilung dieser Flüchtlinge einigen. Entsprechende Vereinbarungen oder ihre Umsetzung werden aber nach wie vor von den osteuropäischen Staaten Polen, Ungarn, der Slowakei und Tschechien blockiert.

Zu den 770 verbindlichen Zusagen, die laut der Erfolgsmeldung des UNHCR auf dem Forum gemacht wurden, gehören auch zahlreiche Versprechen von Wirtschaftsunternehmen, kurzfristig Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Flüchtlinge anzubieten. Diese Versprechen wären relativ leicht zu überprüfen.

Das Globale Flüchtlingsforum zur Bilanz und Überprüfung des Internationalen Flüchtlingspaktes, den die UNO-Generalversammlung Ende 2018 beschlossen hatte, soll künftig alle vier Jahre stattfinden. Doch bereits in zwei Jahren will die UNO eine Zwischenbilanz ziehen. Sollte sich dann herausstellen, dass auch nur die Hälfte der 770 verbindlichen Zusagen aus der Erfolgsmeldung des UNHCR umgesetzt wurden, wäre das bereits ein grosser Fortschritt.


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