Kommentar

Atomaufsicht will 8’800 Franken für Akteneinsicht

Thomas Angeli © zvg

Thomas Angeli /  Es ist so eine Sache mit der Transparenz der Bundesverwaltung. Nicht nur beim Nuklearsicherheitsinspektorat. Aber besonders dort.

Der juristische Kampf um die unbefristete Betriebsbewilligung für das AKW Mühleberg ist vorbei, aber noch längst nicht Geschichte. Und während die Gegner des Uralt-Reaktors sich immer noch in der Schockstarre darüber befinden, dass das Bundesgericht Ende März ihre Sicherheitsbedenken einfach so in den Wind schlug, hätte ich ganz gerne mehr darüber gewusst, inwiefern eben diese Sicherheitsbedenken bei den jährlichen Treffen des Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI) mit der Spitze der BKW jeweils ein Thema sind (respektive waren).
So stellte ich denn am 2. April als Redaktor des Beobachters beim ENSI ein Einsichtsgesuch nach Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ) für sämtliche Protokolle dieser Treffen seit 2008. Die Antwort lag am 15. April im Postfach. Und für einmal verweigerte man mir beim ENSI die Akteneinsicht nicht einfach, sondern zeigte sich aussergewöhnlich kooperativ. Man offerierte mir sogar zwei Möglichkeiten: a) eine Einsicht in die blossen Protokolle, oder b) eine Einsicht in die Protokolle samt Beilagen. Der Haken an der Sache: Das ENSI will für seine Offenherzigkeit Geld sehen, viel Geld. Nicht soviel, wie kürzlich das Bundesamt für Landwirtschaft bei einem Kollegen, aber auch nicht wenig: Die Protokolle ohne Beilagen gibt’s für 1’000 Franken, mit Beilagen kosten die bescheidene Summe von 8’800 Franken.

Nun muss man wissen, dass eine Amtsstelle für die Behandlung von BGÖ-Gesuchen 100 Franken pro Stunde verrechnen darf (aber nicht muss). Umgerechnet auf die ENSI-Offerte bedeutet das, dass bei der Atomaufsicht jemand elf volle Arbeitstage damit beschäftigt wäre, die Beilagen zu fünf Protokollen einzuschwärzen.

Ferner muss man wissen, dass die vom Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDOEB) empfohlenen Beträge für die Behandlung von Einsichtsgesuchen selten über ein paar hundert Franken hinausgehen. Und dass besagter EDOEB die Verwaltung erst kürzlich in zwei Entscheiden zu Zurückhaltung aufgefordert hat.

Nun gibt es drei Möglichkeiten: Entweder man arbeitet beim ENSI extrem langsam (was wir nicht hoffen wollen). Oder man hat bei der Atomaufsicht diese Leitentscheide noch nicht zur Kenntnis genommen. In diesem Fall sollte man das schleunigst nachholen. Oder aber man hat entschieden, dass man wieder einmal eine lästige Anfrage eines Journalisten abwimmelt – für einmal einfach mit einem völlig überrissenen Kostenvoranschlag.

Wir bleiben dran. Das Schlichtungsverfahren ist eingeleitet.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Journalist und Betreiber des Energie- und Umweltblogs «Angelis Ansichten», wo er diesen Beitrag zuerst publizierte.

Zum Infosperber-Dossier:

Ensi

Atomaufsichtsbehörde Ensi

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi entscheidet darüber, ob AKWs noch sicher genug sind.

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Kontrolle dank Öffentlichkeitsgesetz

Bürgerinnen und Bürger müssen für Transparenz von Regierungen und Verwaltungen stets kämpfen.

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2 Meinungen

  • am 1.05.2013 um 09:41 Uhr
    Permalink

    Grundsätzlich halte ich es für fragwürdig, dass staatliche Organe Gelder für Auskünfte verlangen, die einem Staatsbürger bei berechtigtem Interesse zustehen. Mit den Steuern haben wir bereits die Dienstleistungen des Staates bezhalt.

  • am 2.05.2013 um 20:28 Uhr
    Permalink

    11 Arbeitstage für› s kopieren und bereitlegen der Protokolle….? dass das ENSI so langsam druckt, glaube ich nicht. Vielleicht sehen sich die Leute aber in der Pflicht, die Protokolle «spezifisch zu sichten", schlimmstenfalls zu selektionieren, oder noch schlimmerenfalls postum zu «korrigieren"?

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