Kommentar

Fette Autos fahren und Ablass zahlen

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Schlankere Fahrzeuge bremsen den Klimawandel stärker als der Emissionshandel.

Klimapolitisch sind Elektroautos wie etwa die übergewichtigen Teslas oder Mercedes für die Schweiz eine tolle Sache. Die neun Tonnen CO2, welche die Herstellung allein der Batterie verursacht, belasten die CO2-Bilanz vor allem in China. Und der Kohlestrom, der im Winter via Import und subventionierte Ladestationen in die Batterien der Elektroboliden strömt, stammt aus Deutschland.

Die Schweizer CO2-Bilanz hingegen bleibt makellos. Mehr noch: Der neue Elektro-SUV EQC zum Beispiel wird in der Mercedes-Flotte nicht nur einmal, sondern ab 2020 doppelt mit Null CO2 gewichtet – und erlaubt damit dem Mercedes-Importeur, weiterhin übermotorisierte Benziner mit mehr als 200 Gramm CO2/km zu verkaufen, ohne die Vorschriften zu verletzen (Details dazu im Infosperber-Artikel: «2020 kommt das Vier-Liter-Auto – leider nur auf dem Papier»). Was zeigt: CO2-Grenzwerte sind gut, sofern sie das Geschäft nicht tangieren.

Das ist die eine Seite der Schweizer Klimapolitik. Auf der andern Seite setzt die Schweiz auf Emissions- respektive Ablasshandel, um ihre CO2-Biilanz grün zu waschen: 40 Prozent der Emissionsreduktion, die der Bund bis 2030 anpeilt, will er mit dem Kauf von ausländischen Emissionszertifikaten wegrechnen. Das Bundesamt für Umwelt begründet das mit folgenden Worten: «Der Emissionshandel ermöglicht es, Emissionen da zu reduzieren, wo die Kosten tief liegen.» Zum Beispiel mit der Finanzierung von Aufforstungs-Projekten in Indien oder Brasilien – wo nebenan gleichzeitig der Urwald abgeholzt wird.

Doch leider, so klagte die Schweizer Delegation nach der gescheiterten Klimakonferenz in Madrid, wollen Brasilien und Indien solche Investitionen auch noch in ihrer eigenen CO2-Bilanz gutschreiben. Diese Länder werden nun dafür verantwortlich gemacht, dass der globale Klimaschutz nicht voran kommt. Dabei geht vergessen: Pro Kopf der Bevölkerung ist der CO2-Ausstoss in Indien und Brasilien immer noch kleiner als innerhalb der Schweizer Grenzen, obwohl die Schweiz mit dem Import von CO2-intensiven Produkten einen grossen Teil der von ihr verursachten Klimabelastung auslagert.

Abgesehen von den Tricksereien ist der Emissionshandel keineswegs das kostengünstigste Instrument. Viel billiger wäre ein nationales Verkehrssystem, das auf weniger fetten Fahrzeugen basiert und mit einem Bruchteil der heute üblichen Motorenleistung auskommt. Damit liesse sich der CO2-Zielwert von 95 Gramm/km für neue Autos ab 2020 auch ohne «Phasing-in», «Supercredits» sowie weitere Schlupflöcher erreichen. Und indirekt könnte die Schweiz damit auch den CO2-Ausstoss für die Batterieproduktion in China sowie den Import von Kohlestrom aus Deutschland vermindern.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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6 Meinungen

  • am 20.12.2019 um 12:16 Uhr
    Permalink

    Genau. Ein Trabi pro Familie reicht dolle. Aber den Kohlestrom soll man jetzt nicht schlecht reden, der ersetzt bloss die gefährliche Atomkraft.

  • am 20.12.2019 um 13:28 Uhr
    Permalink

    Es wird immer klarer: nur mit suffizienz wird das klima zu retten sein. Effizienz genügt nicht. Suffizienz heisst hier: mit einem kleineren auto weniger kilometer fahren, falls überhaupt. Alles andere ist augenwischerei.

  • am 20.12.2019 um 16:10 Uhr
    Permalink

    Das ökologisches Gewissen mit einem schweren SUV zu beruhigen, der mit einem kleinen Elektromotor für ein paar Km Reichweite ausgestattet ist, jedoch bestückt mit einem Verbrennungsmotor von 350 PS. Welch ein Unsinn! Infantiles Statussymbol-Denken verhindert wohl weiterhin, dass gescheite Fahrzeuge das Strassenbild verändern.

  • am 22.12.2019 um 22:59 Uhr
    Permalink

    Herr Guggenbühl, Sie sagen es: «Was zeigt: CO2-Grenzwerte sind gut, sofern sie das Geschäft nicht tangieren."
    Schaut man sich die derzeit diskutierten Klimaerwärmungs-Gegenmassnahmen genauer an, ist eines klar: Nur so lange das Geschäft, das heisst, das BIP und die Arbeitsplätze, nicht gefährdet sind, haben sie eine Chance zur Umsetzung. Daher sind sie derart zahm, sprich wirkungslos.
    Stark verkürzt: Wir müssen bei unserem auf Wachstum getrimmtem Wirtschaftssystem anfangen, wenn wir das Klimaproblem lösen wollen.

    Wen wundert es? Alleine die fossile Energieindustrie bewegt einen jährlichen Umsatz um die 2000 Mia. Dollar. Und die soll sich jetzt selber abschaffen!? Das machen die bestimmt nicht freiwillig.
    Ebenso die Autoindustrie: rund 1000 Mia. Umsatz, plus nochmals soviel bei den Zulieferern.

  • am 23.12.2019 um 14:22 Uhr
    Permalink

    Lieber Peter Guggenbühl
    Wo stammt denn die Aussage her » Die neun Tonnen CO2, welche die Herstellung allein der Batterie verursacht, belasten die CO2-Bilanz vor allem in China."
    Da ich wäre aber im Sinne einer sauberen Recherche jetzt an einer Quelle interessiert. Falls es die «Schweden Studie» von vor zwei Jahren ist, dann würde ich mich jetzt aber über die Redlichkeit arg verwundern.
    Antwort des Verfassers: Geehrter Herr Baumann
    Nein, ich habe mich nicht allein auf die vor zwei Jahren publizierte "Schweden-Studie" (sie meinen wohl die Studie des IVL-Institutes) gestützt. Diese ging von einem CO2-Ausstoss von 150 bis 200 kg pro kWh Batterie aus respektive von 15 bis 20 Tonnen für eine 100 kWh-Batterie.
    Die von mir gewählte Zahl von 9 Tonnen (respektive rund 100 kg/kWh) für eine 90kWh-Batterie, wie sie Tesla und Mercedes für ihre grossen Modelle verwenden, ist also viel kleiner. Dabei handelt es sich um einen Mittelwert, basierend auf mehreren Studien; sie alle zu zitieren und zu bewerten hätte den Rahmen eines Kommentars gesprengt. Nur soviel: In Ländern mit hohem Kohleanteil im Strommix wie eben in China dürfte die gewählte Zahl von 9 Tonnen eher zu tief als zu hoch sein. Hanspeter Guggenbühl

  • am 29.12.2019 um 19:31 Uhr
    Permalink

    Lieber Herr Guggenbühl

    Bitte bezeichnen Sie Emissionshandelssysteme (EHS) nicht als Ablasshandel. Das ist irreführend, da doch die kath. Kirche Geld für fiktive Leistungen (Schulderlass) von der Bevölkerung ergaunert hat. Ein EHS hingegen ist ein äusserst kosteneffizientes Instrument zur Emissionsreduktion (solange man es richtig ausgestaltet und nicht zu viel Emissionen erlaubt, also zu geringe Ziele setzt). EHS sollten nicht schlechtgeredet werden, auch wenn sie der Normalo-Bürger vielleicht nicht versteht und daher abgeneigt ist. Man sollte die Leute aufklären und nicht mit falschen Vergleichen ein tolles Instrument der Umweltpolitik verteufeln. Wer normalerweise EHS als Ablasshandel bezeichnet, redet oft auch von der Klimareligion, der heiligen Greta und anderem Unsinn: Das sind alles Ablenkmanöver, um Klimapolitik zu verhindern!

    Wenn CH-Unternehmen Emissionsrechte der EU kaufen können, ist das nicht ein Problem, sondern die Idee eines EHS. Selbstverständlich ist aber eine Emissionsreduktion, die hauptsächlich im Ausland stattfindet, langfristig keine Lösung, wenn wir wirklich auf Netto-Null kommen wollen. Solange wir aber noch weit davon entfernt sind, bietet ein EHS die Möglichkeit, ein gegebenes Reduktionsziel kostenengünstig zu erreichen. Eine günstigere Erreichung von Zielen ermöglicht eine erhöhte politische Akzeptanz, wenn mit den relativen Kostenersparnissen soziale Ausgleichsmassnahmen bezahlt werden oder sie erlaubt eine stärkere Reduktion bei gleichen Kosten!

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