H&M verbietet «NZZ am Sonntag» den Fabrik-Zugang

Red. /  Redaktorinnen der NZZaS durften die Arbeitsbedingungen in Fabriken von H&M-Lieferanten in Äthiopien nicht verifizieren.

«Vollmundige Versprechen» hätten Kleiderkonzerne verbreitet, doch Transparenz mögen sie nicht. Das berichtet die «NZZ am Sonntag» am 8. Oktober. Die Anfrage für einen Fabrikbesuch hätte ein H&M-Sprecher «abgeblockt». Sogar ein Vorgespräch per Telefon habe er abgelehnt.
Auch die deutsche Tschibo-Gruppe wollte keinen Besuch von NZZ-Journalistinnen in Äthiopien: «Die Produktion werde umgestellt und es laufe nur wenig in der Fabrik, lautet die Ausrede». Der US-Modekonzern PVH, dem die Marken Tommy Hilfiker und Calvin Klein gehören, habe ihre schriftliche Anfragen der NZZaS unbeantwortet gelassen, berichten die Redaktorinnen Anja Burri und Franziska Pfister.
Auf eigene Faust konnten die beiden ebenfalls nicht vor Ort gehen und mit Fabrikarbeiterinnen und -arbeitern reden: «Von den äthiopischen Behörden erhielt die ‹NZZ am Sonntag› trotz wochenlangen Bemühungen keine rechtzeitige Einreiseerlaubnis.»

Beruhigende PR-Sprüche für Käuferschaft mit schlechtem Gewissen
Die Käuferinnen und Käufer billiger Textilien sollen nicht informiert entscheiden können, ob sie sich an der Ausbeutung beteiligen oder solche Textilien lieber nicht kaufen wollen. Im Gegenteil: Mit dem Hinweis auf «Standards», «ethische Richtlinien», das «Einhalten von Mindestlöhnen» sowie mit Berichten über einzelne überdurchschnittliche Fabriken beruhigen sie das Gewissen der Käuferschaft im reichen Europa. Diese glaubt den beruhigenden PR-Sprüchen allzu schnell und allzu gerne.
Unter dem Titel «Billiger geht nicht mehr» hat die NZZ am Sonntag die Problematik aufgegriffen.

Dabei würde es genügen, für ein T-Shirt einen oder zwei Franken mehr zu verlangen (ohne natürlich die Margen prozentual zu erhöhen), um vor Ort dreimal oder sogar viermal so hohe Löhne zu zahlen.


Wer erhält vom Kaufpreis eines T-Shirts wieviel? Grössenordnung. Quelle: Clean Clothes Schweiz / Grafik: saldo. Grössere Auflösung hier.

Auswanderung von Konzernen in Billigstländer – Auswanderung von Menschen aus Billigstländern nach Europa
H&M, Tommy Hilfiger, Calvin Klein, Zara oder Levi’s verlegen ihre ausbeuterische Textilproduktion von Land zu Land, stets dorthin, wo Arbeiterinnen und Arbeiter am meisten auszubeuten sind, wo Gesetze zum Gesundheits- und Umweltschutz am schwächsten sind, und wo kaum Steuern erhoben werden.
Früher war es einmal China, dann Bangladesch, Thailand, Myanmar und neustens einzelne afrikanische Länder wie Äthiopien. Die Konzerne versuchen, sich ihre eigenen Finger nicht zu verbrennen und ihr Image rein zu halten, indem sie die Ausbeuter-Fabriken nicht selber besitzen und führen, sondern die Ware nach ihren Vorgaben von Zulieferern und Unterzulieferern produzieren lassen. Die Nichtregierungsorganisation Public Eye (früher Erklärung von Bern) nennt dieses System die «organisierte Verantwortungslosigkeit».
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Originalartikel in der NZZ am Sonntag vom 8.10.2017 hier (gegen Bezahlung)

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3 Meinungen

  • am 9.10.2017 um 13:10 Uhr
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    Der Grafik von Clean Cloth Schweiz ist ungenügend. Zur Beurteilung der Profits entlang der Supply Chain gehörten dazu die Transport, Vertrieb und Marketingkosten, die der Franchisegeber und der Detailhandel tragen. [Letzterer trägt zudem das Risiko der Verwertung [Ausverkauf, Weiterverkauf in Nebenmärkte) der überschüssigen Ware.]
    So könnte die Profitverteilung wirklich aufgezeigt und die Frage der Ausbeutung sorgfältiger abgehandelt werden, als im Kurzartikel geschehen. Es würde nicht überraschen, wenn sich herausstellt, das nicht nur die Franchisegeber, sondern auch die Auftragsproduzenten, die kaum Risiken des Endmarktes tragen, massiv auf Kosten der ‚Taglöhner‘ verdienen. Damit läge das Problem auch bei den Fabrikbesitzern und nicht nur (aber immer auch noch) bei den Chefs (und Aktionären) der Modekonzerne.

  • am 10.10.2017 um 05:53 Uhr
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    Welches wären die alternativen Arbeitsbedingungen für diese Arbeiterinnen? Gibt es die überhaupt und wären diese für diese Menschen besser? Oder doch lieber eine riskante Flucht nach Europa?

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