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Sandra Dütschler von der «Arbeitsgemeinschaft gerechter Bananenhandel» – kurz Gebana © gebana.com

«Wir glauben an unsere Vision eines gerechteren Handels»

Nicole Soland /  Seit 20 Jahren engagiert sich Gebana weltweit für fairen Handel mit Bio-Produkten. Eine Erfolgsgeschichte mit vielen Aufs und Abs.

Red. Mangos, Ananas, Nüsse oder Kakao: Seit 20 Jahren verkauft Gebana biologisch hergestellte Produkte von Kleinbauern in aller Welt direkt an KonsumentInnen in der Schweiz. Dass die Pionierin des fairen und nachhaltigen Handels bis heute durchgehalten hat, ist dennoch keine Selbstverständlichkeit, wie Sandra Dütschler, Leiterin Kommunikation, im Gespräch mit Nicole Soland erklärt.

Nicole Soland: Am Ursprung von Gebana standen die «Bananenfrauen» aus Frauenfeld. Wie hat sich aus diesem kleinen Grüppchen das Handelsunternehmen Gebana entwickelt?
Sandra Dütschler: Die «Bananenfrauen» begannen 1973 damit, über die harten Arbeitsbedingungen in den Bananenplantagen und die Zusammenhänge zwischen diesen Bedingungen und den günstigen Preisen für Bananen zu informieren. Sie sprachen die Menschen direkt auf der Strasse an, was damals überhaupt noch nicht üblich war – schon gar nicht für bürgerliche Frauen wie die «Bananenfrauen». Sie eckten an, liessen sich aber nicht entmutigen und gründeten in den 1980er-Jahren in Frauenfeld den Verein «Arbeitsgemeinschaft gerechter Bananenhandel», abgekürzt Gebana.
Kann ein Verein auch ein Handelsunternehmen sein?
Es begann mit Aktionen wie dem Verkauf von Bananen gegen einen Aufpreis, den die Gruppe in Projekte in den Bananenplantagen investierte. Mit der Zeit wuchs die Bewegung und machte sich die Kerngruppe daran, selber im Bananenhandel mitzumischen, um den Import von Bananen von unabhängigen Produzenten zu ermöglichen. In den 1990er-Jahren begannen sich auch einige Hilfswerke fürs Thema zu interessieren. Sie taten sich zusammen und gründeten das Label «Max Havelaar». Doch die Bananenfrauen waren nicht involviert; sie wurden nicht einmal angefragt.
Warum nicht?
Als Überzeugungstäterinnen waren sie halt nicht die pflegeleichtesten Geschäftspartnerinnen … Als 1997 die ersten Max-Havelaar-zertifizierten Bananen auf den Markt kamen, befanden sie denn auch, das sei nicht das, was sie gewollt hatten: Einfach eine Checkliste mit Kriterien aufstellen, und wenn diese abgehakt ist, dann ist das Produkt «fair»und der Handel «gerecht»? Aus Sicht der Bananenfrauen gab es immer noch viel zu tun. Doch da es ihnen nicht möglich war, dies zusammen mit den Hilfswerken zu tun, beschlossen sie, selber aktiv zu werden. Diese Mentalität des «dann machen wir es eben selber» ist bis heute ein Merkmal von Gebana. Weil aber die Bananenfrauen Ende der 1990er-Jahre nicht mehr die Jüngsten waren und ein einfacher Verein nicht leisten konnte, was ihnen vorschwebte, entstand im August 1998 das Handelsunternehmen Gebana.
Gemäss dem Abriss der Firmengeschichte, den die Gebana zum 20. Geburtstag an ihre KundInnen verschickt hat, ist das Unternehmen mit seinem Ziel, sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Handelsketten aufzubauen und so den globalen Handel gerechter zu machen, ausgesprochen schlecht gestartet.
Stimmt, es hat schlecht angefangen, und es gab bis heute viele Aufs und Abs und auch immer wieder Rückschläge. Am Anfang waren wir natürlich auch noch unerfahren und hatten wenig Ahnung davon, wie internationaler Handel funktioniert. Wir mussten viel lernen, aber anderseits hat sich Gebana auch stets in schwierigen Regionen bewegt und sich schwierige Aufgaben gestellt.
Zum Beispiel?
Unser erstes Produkt war Bio-Soja aus Brasilien: ein spezielles Produkt aus einer schwierigen Region. Bio-Soja zu produzieren in einer Gegend, die geprägt ist von Monokulturen, von Grossgrundbesitzern, von Regenwaldabholzung, von gentechnisch veränderter Soja – das ist eine Herausforderung. In Brasilien hatten wir die erste Bio-Sojaernte vorfinanziert, doch der holländische Importpartner lieferte dann einfach an eigene KundInnen statt an Gebana. Das war nicht nur dreist, sondern bedeutete auch, dass sich unser Unternehmen gleich nach dem Start bereits in einem Rechtsstreit befand. Unser Ziel, in Brasilien Bio-Soja zu produzieren, haben wir jedoch nicht aus den Augen verloren: Wir haben seither viel investiert, wir haben, zusammen mit brasilianischen Universitäten und europäischen Maschinenherstellern unter anderem dazu geforscht, wie der Bio-Sojaanbau wirtschaftlicher werden kann und wie sich die Böden besser bearbeiten lassen. Doch auch in anderen Regionen waren und sind wir stark gefordert, beispielsweise in Westafrika.
Weshalb?
Schon nur ein Grundstück zu kaufen und registrieren zu lassen, kann in Westafrika ein Ding der Unmöglichkeit sein. In Burkina Faso können nur 34 Prozent der Erwachsenen lesen und schreiben. Wenn wir dort Personal einstellen wollen, müssen wir jemanden finden, der den Leuten die Arbeitsverträge vorliest. Die Rahmenbedingungen wie auch die Infrastruktur entsprechen oft in keinster Weise dem, was wir uns hierzulande gewohnt sind. Genügend Strom für die Maschinen zu bekommen, ist ein grosses Problem, und oft schwankt auch die Stromspannung. Viele Strassen sind löchrig und in der Regenzeit unpassierbar, oder es streiken gerade die Camionneure. Der Transport zum Hafen erfolgt in Burkina Faso zwar per Eisenbahn, doch manchmal fährt sie einfach nicht. Damit muss man leben können. Für uns gehört es dazu, Risiken einzugehen, und ohne Ausdauer sind unsere Ziele nicht zu erreichen. «Langfristig» heisst für uns in Bezug auf Burkina Faso nicht «in drei oder fünf Jahren», sondern «wir müssen wieder und wieder probieren». Kurz: Es investiert kaum jemand in Burkina Faso, und wir wissen, weshalb das so ist.
Warum tut Gebana sich das seit 20 Jahren an?
Wir glauben an unsere Vision eines gerechteren Handels, und wir sehen trotz aller Rückschläge auch Erfolge. In Brasilien wurden 2010 in der gesamten Bio-Sojaernte Spuren des Pestizids Endosulfan gefunden. Konventionelle Bauern in der Umgebung setzten es ein, via Regen und die Luft gelangte es in die Umwelt und kumulierte sich schliesslich in den Sojabohnen. Natürlich konnten wir sie nicht mehr als Bio-Soja verkaufen; den Bauern hatten wir sie aber bereits als solche abgekauft. Das bedeutet den finanziellen Ruin für eine Firma, unsere Tochterfirma Gebana Brasil stand am Abgrund und hätte beinahe das ganze Unternehmen mitgerissen. Heute jedoch ist Gebana Brasil unser erfolgreichstes Tochterunternehmen, das ausser Bio-Soja auch Weizen, Mais und Bohnen produziert und 50 Prozent seiner Produkte in Brasilien selber verkaufen kann, wo es heute eine wachsende Nachfrage nach Bioprodukten gibt. Das ist sehr erfreulich.
Sind Sie auch in Afrika erfolgreich?
Wir glauben daran, dass wir in den westafrikanischen Ländern Entwicklung ermöglichen, indem wir investieren, Arbeitsplätze schaffen und wirtschaftliche Aktivität vor Ort anstossen. Unser Ansatz ist hier, dass unsere Partnerfirmen im Süden langfristig selbstständig werden sollen und auch können. Wir wollen nicht immer mehr Tochterfirmen im Süden haben, sondern eine Entwicklung antreiben, die dazu führt, dass sie selbstständig funktionieren.
Das heisst, dass Gebana irgendwann keine getrockneten Mangos oder Cashews mehr in der Schweiz verkauft, weil die Partnerfirmen in Burkina Faso alles vor Ort absetzen können?
Eher nicht, wahrscheinlicher ist das, was wir in Tunesien erlebten: Wir haben zusammen mit einem lokalen Partner ein Unternehmen aufgebaut, und vor ein paar Jahren hat dieser Partner nun seinen Anteil zurückgekauft, sich also selbstständig gemacht. Wir pflegen nach wie vor sehr gute Handelsbeziehungen – wir kaufen ihm praktisch die ganze Ernte ab.
2017 gab es erneut eine grosse Krise; dieses Mal war es Gebana Afrique, die das Unternehmen beinahe in den Konkurs getrieben hätte. Was genau war passiert?
Es war eine sehr schwierige Situation: Wir hatten in Burkina Faso viel in die Infrastruktur investiert, vor allem ins Personal, denn aufgrund der Grösse des dortigen Projekts benötigten wir qualifizierte Manager­Innen. Fachpersonal hat seinen Preis und ist nicht einfach zu finden: Wer in Burkina Faso wirklich gut ausgebildet ist, arbeitet lieber auf einer Bank als für Bauern. Wir stellten also Personal ein und verbesserten die Prozesse. Doch dann stiegen die Einkaufspreise für Cashews massiv, und gleichzeitig hatten wir eine sehr schlechte Mangoernte. Höhere Strukturkosten und weniger Produkte sind eine fatale Kombination.
Sie waren kurz davor, aufzugeben?
Ja, wir mussten uns überlegen, ob wir das würden stemmen können oder ob der Zeitpunkt gekommen war, um aufzuhören. Wir entschieden uns fürs Weitermachen und entwickelten die Idee des Crowd-Orderings: Unsere KundInnen konnten getrocknete Mangos und Cashewkerne vorbestellen und bezahlen, die ihnen erst fünf Jahre später geliefert werden. Die Idee dahinter: Wird das Risiko auf viele Schultern aufgeteilt, ist es besser tragbar. Wenn es nicht funktioniert, dann hat die einzelne Kundin die 40 Franken für ein Kilo getrocknete Mangos verloren, die sie vor fünf Jahren ausgegeben hat; das ist ein überschaubarer Verlust. Wenn es jedoch funktioniert, bekommt sie die bestellten Mangos und, sofern es richtig gut läuft, auch noch eine Gewinnbeteiligung.
Die Idee ist bestechend einfach und steht doch quer in der Landschaft in einer Zeit, in der heute bestellte Waren morgen geliefert werden: Wie leicht liess es sich der Kundschaft vermitteln, fünf Jahre warten zu müssen?
Wir waren am Anfang auch skeptisch, ob uns das gelingen würde. Es ging immerhin um Bestellungen im Umfang von einer halben Million Franken. Doch zum Glück stellte sich heraus, dass der Betrag innert kurzer Zeit nicht nur erreicht, sondern gar übertroffen wurde; es kamen über 760’000 Franken zusammen. Beeindruckend fand ich auch, dass über 2800 Personen mitmachten. Das hat uns alle sehr bestärkt und motiviert: Es gibt offensichtlich viele Menschen, denen es nicht egal ist, ob es die Gebana auch weiterhin gibt oder nicht. Es ist ihnen wichtig, genau zu wissen, woher die Produkte kommen, und es ist ihnen daran gelegen, dass Arbeitsplätze vor Ort geschaffen und erhalten werden.
Es gibt aber auch Kritik an Ihrem Direktversand, etwa weil man von einigen Produkten nur mehrere Kilo aufs Mal bestellen kann, oder wegen der Ananas, die per Flugzeug importiert werden.
Getrocknete Früchte sind, richtig gelagert, praktisch ewig haltbar. Dass wir Kisten mit 13 Kilo frischen Orangen anbieten, hat mit Effizienz zu tun hat: Wir verschicken genau die Kisten, die im Süden gefüllt wurden und der jeweiligen Transportlogistik angepasst sind. Alles umzupacken wäre ineffizient, und vor allem zahlen wir der Post für jedes Paket Porto. Für kleinere Mengen würde sich das nicht lohnen. Auch die frischen Orangen kann man übrigens bis zu vier Wochen aufbewahren, wenn man sie kühl lagert. Den Transport der Ananas haben wir intern und mit unseren KundInnen intensiv diskutiert. Die Ananas sind nur kurz haltbar, es ist aber eine spezielle, sehr feine Sorte, die Früchte stammen von Kleinbetrieben, und auch diese Bauern brauchen Absatzmärkte. Wir kompensieren zudem das CO2 fünffach, was sich natürlich im Preis niederschlägt. Unsere Kunden haben sich für das Produkt ausgesprochen und werden auch transparent über die Flugfracht informiert. Aber intern gibt es immer wieder Diskussionen dazu, ob wir das wirklich wollen.
Wo steht Gebana heute, und wie geht es weiter?
2007 haben wir erstmals schwarze Zahlen geschrieben. Damals dachten wir, jetzt haben wir unser Geschäftsmodell, jetzt haben wir es geschafft; alle waren optimistisch. Dann kam die Finanzkrise mit all ihren wirtschaftlichen Folgen … Seither glauben wir nicht mehr, wir hätten die Lösung und es gehe nur noch aufwärts. Stattdessen haben wir diese Erfahrung als Teil unseres Geschäftsmodells integriert und suchen stets nach neuen Lösungen. Wir haben in Krisen aber auch stets Unterstützung erhalten, sei es durch Produzenten oder Konsumentinnen, durch Handelspartner oder Zertifizierungs-Institute. Dieser Support macht uns stark.
Gibt es konrkete Projekte, mit denen Sie in den Startlöchern stehen?
Ja, da wäre etwa der Direktversand in anderen Ländern, Gebana Brasil beispielsweise fängt demnächst damit an. In Deutschland sind wir bereits präsent, dort geht es darum, den Direktversand auszubauen, und in Schweden und in England bauen wir einen solchen zurzeit auf. Das neuste Projekt ist ein Ladengeschäft, das wir im Dezember an unserem Standort an der Ausstellungsstrasse 21 in Zürich eröffnen werden. Wir kooperieren dafür mit dem Bachser Märt, doch es soll kein weiterer schicker Bioladen mit teuren Produkten werden, sondern eher etwas wie ein Rampenverkauf von saisonalen Frischprodukten. Die Bauern werden ihr Gemüse in den Kisten, in denen sie es transportieren, im Laden abstellen. Ergänzt wird das Sortiment durch unsere Produkte, eventuell gibt es auch einen Offenverkauf von Nüssen und Trockenfrüchten, und der Austausch mit den KundInnen wird ebenfalls ein wichtiges Element dieses neuen Angebots sein.

Dieser Text erschien erstmals im «P.S.».

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Nicole Soland ist Redaktorin der linken Zürcher Zeitung «P.S.» und langjährige zufriedene Kundin von Gebana.

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