blackfriday4606219_1920

Analysen zeigen: Die Angebote am «Black Friday» sind oft Konsumentenfallen. © pixabay

Black Friday: Konsumenten im Kaufrausch – gegen alle Vernunft

Tobias Tscherrig /  Der «Black Friday» beschert Herstellern und Händlern Milliardenumsätze – und zeigt, wie manipulierbar Konsumenten sind.

Menschen übernachten vor Geschäften und anderen Konsumtempeln, reihen sich während Stunden in langen Schlangen ein. Sie schubsen, drängeln, kämpfen. Sie beschimpfen sich und reissen einander irgendwelche Konsumgüter aus den Händen. Pole-Position sichern, sprinten, rempeln, Produkt verteidigen, kaufen.

Eigentlich ist der vierte Freitag im November ein Tag wie jeder andere. Aber wenn die Sonne aufgeht, scheint sie auf eine Gesellschaft, die Anstand und Moral hinten anstellt und sich dem Konsumrausch ergibt. Es ist «Black Friday»: Händlerinnen und Händler locken mit Schnäppchen und Rabatten und lancieren so das Weihnachtsgeschäft, das so gar nichts mit Nächstenliebe zu tun hat. Kundinnen und Kunden folgen dem Ruf und werden zur kaufenden Masse. Eine Masse, die in Gegenwart von Rabatt- und Prozentschildern aufhört zu denken.

Die Folge sind – vor allem in den USA – Szenen, die man aus Krisengebieten oder Flüchtlingslagern kennt, in denen Nahrungsmittel knapp geworden sind. Nur das jene Menschen nicht um vermeintlich verbilligte Luxusgüter, sondern um ihr nacktes Überleben kämpfen. Trotzdem gleichen sich die Szenen – und die Resultate: Bisher forderte der «Black Friday» im angelsächsischen Raum mindestens zwölf Leben. Leben, die unter anderem durch Schusswaffen, Stichwunden oder alkoholisierte Autofahrer beendet wurden. Inmitten der kaufwütigen Masse kommt der Tod auch in Form von Herzinfarkten und Massenpaniken. Menschen werden erdrückt oder sterben, weil andere über sie hinweg trampeln.

Grösser, lauter, billiger
Wie vieles, das gross und laut ist, kommt der «Black Friday» ursprünglich aus den Vereinigten Staaten. Nach dem amerikanischen Erntedankfest «Thanksgiving» am Donnerstag, nehmen sich viele US-Amerikaner am Freitag frei und starten die Weihnachtseinkaufssaison. Läden und Handelsketten öffnen bereits früh am Morgen und locken mit Sonderangeboten, Rabatten und Werbegeschenken. Immerhin gilt der Tag als wichtiger Indikator des Weihnachtsgeschäfts. Seit 2005 werden in den USA am «Black Friday» die höchsten Tagesumsätze des Jahres erzielt. 2017 gaben Amerikanerinnen und Amerikaner am «Schwarzen Freitag» fast acht Milliarden Dollar aus. Tendenz: steigend.

Dies vor allem, weil das ursprünglich eintägige «Shopping-Event» ständig verlängert wird und sich auch auf den Internet-Handel ausgeweitet hat. So locken viele Online-Händler am Montag nach dem «Black Friday» mit dem sogenannten «Cyber Monday». Und findige Geschäftsleute installieren eigene Aktions- und Rabatttage, die über das ganze Jahr verteilt stattfinden und nicht mehr nur auf einen bestimmten Tag im Jahr begrenzt sind. «Amazon» führte zum Beispiel den «Prime Day» ein, während dem die Produkte noch günstiger als am «Black Friday» sein sollen. Andere Händlerinnen und Händler lancierten den «Schwarzen Freitag» im Juli, um auch im Sommer einen Schnäppchentag anbieten zu können.

«Black Friday» breitet sich aus
Im Jahr 2013 erreichte der «Black Friday» Deutschland – nachdem der US-Konzern «Apple» bereits seit 2006 mit Rabatten an einem «eintägigen Shopping Event» geworben hatte. Obwohl der Konzern die Bezeichnung «Black Friday» nicht aussprach, war sein Siegeszug nicht mehr aufzuhalten. 2013 bewarben etwa 500 deutsche Händlerinnen und Händler am letzten Freitag im November vergünstigte Produkte. Vier Jahre später kannten bereits 89 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland die Bezeichnung «Black Friday». 2018 waren es dann 94 Prozent.

2016 wurden in Deutschland am «Black Friday» 360 Millionen Euro umgesetzt, am gesamten «Black Friday»-Wochenende waren es mehr als eine Milliarde Euro. Der Handelsverband Deutschland prognostizierte für das «Black Friday»-Wochenende 2018 eine Umsatzsteigerung auf 2,4 Milliarden Euro. In diesem Jahr wird mit einem Umsatz von 3,1 Milliarden Euro gerechnet. Über 80 Prozent der 16- bis 34-jährigen Deutschen, wollen in diesem Jahr den Tag nutzen, um auf Shoppingtour zu gehen.

In der Schweiz lancierten im Jahr 2007 die ersten Online-Händlerinnen und -Händler eigene «Black Friday»-Angebote. 2015 folgte mit «Manor» der erste grosse Detailhändler und erzielte an einem Tag einen dreimal höheren Umsatz als an einem normalen Freitag. Ein Jahr später folgten andere grosse Shops, der «Black Friday» hielt seinen definitiven Einzug in die Schweiz. 2018 sollen Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Schweiz einen Umsatz von 440 Millionen Franken erzielt haben – an einem einzigen Tag.

«Ein Tag, der günstige Preise verspricht, sie aber nicht bietet»
Eigentlich ist es erstaunlich, dass sich die Konsumgesellschaft mit vielfach nur vermeintlichen Vergünstigungen und Rabatten zum Kauf verleiten lässt. Immerhin leben wir in einer aufgeklärten Gesellschaft, denken rational und haben unzählige Informationen zur Verfügung, die alle Ähnliches sagen: Angebote, die mit Slogans à la «Das beste Angebot des Jahres», «Top-Deal», oder «75 Prozent Rabatt» beworben werden, sind vielfach Konsumentenfallen.

So hat etwa das Vergleichsportal «Netzsieger» während einem Monat die Preise für Fernseher, Smartphones, Kühlschränke und Waschmaschinen der Händler «Amazon», «Alternate», «Mediamarkt» und «Saturn» beobachtet. Das Fazit: Alle Produkte unterliegen starken Preisschwankungen, nur bei einem der acht untersuchten Geräten ist der Preis kontinuierlich gesunken. Bei einigen Geräten sei der Preis kurz vor dem «Black Friday» gar um rund 70 Euro gestiegen.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die ZDF-Sendung «WISO» im Jahr 2017. Ein Team begann zwei Monate vor dem «Black Friday» mit der Beobachtung der Preise von 3068 Produkten und führte die Preisanalyse bis vier Monate nach Ende des «Schwarzen Freitags» fort. In dieser Zeitspanne änderten sich die Preise bei den meisten Produkten nicht. Die Bilanz der Sendung: «Ein Tag der günstige Preise verspricht, sie aber nicht bietet.» Auch «Stiftung Warentest» kommt zum Schluss, dass Waren, die ohnehin gut verkauft werden, am «Black Friday» selten im Preis sinken.

Die Tricks der Händlerinnen und Händler
Trotzdem haben viele Kundinnen und Kunden den Eindruck, am «Black Friday» Geld sparen zu können. Das hängt mit einem Trick der Händlerinnen und Händler zusammen, die ihr Produkt zum Beispiel mit 50 Prozent Rabatt auf den «Originalpreis» anschreiben – und den angeblich verbilligten Verkaufspreis der «unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers» (UVP) gegenüberstellen. Nur: Der UVP ist extrem hoch angesetzt, in Wirklichkeit kassieren kaum eine Händlerin oder ein Händler die empfohlenen, horrenden Preise. Sie nutzen ihn aber um den Konsumenten einen immensen Preisnachlass vorzugaukeln, den es so aber nicht gibt. So wird aus angeblichen Rabatten von 50 Prozent in der Realität ein Preiserlass von vielleicht noch zehn Prozent.

Dann sind die kräftig beworbenen «Schnäppchen» eine Versuchung für den Konsumenten oder die Konsumentin. So konnten Neurowissenschaftler in Versuchen nachweisen, dass bereits der Anblick von Prozentzeichen auf einem Preisschild das Belohnungssystem im Hirn aktiviert. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass ein Schnäppchen-Jäger am «Black Friday» Spontankäufe tätigt. Viele Händlerinnen und Händler versuchen gezielt, diese Tendenz weiter zu verstärken: Mit kurzen Angebotsfristen oder ablaufenden Uhren setzen sie Druck auf mögliche Kundinnen und Kunden auf und versuchen so, sie zu unüberlegten Käufen zu drängen.

Trend zur Discount-Gesellschaft
Im Übrigen gilt der «Black Friday» auch als Tag, an dem sich Menschen im Kaufrausch keinen Deut um die Herkunft der Produkte kümmern. Die Einhaltung von menschenwürdigen Standards bei der Herstellung, ökologische Transportwege, Fair-Trade: Im Trubel um die vermeintlichen Schnäppchen bleibt keine Zeit für Kleingedrucktes und Hintergrundinformationen.

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Zwar sorgen die Rabatttage für mehr Verkäufe, da Rabatte aber eine starke Droge sind, stärken solche Aktionen auch den Trend zur Discount-Gesellschaft. Wie Marketingexperten sagen, werde es dadurch immer schwieriger, Produkte zu «normalen» Preisen zu verkaufen.

Das eigentliche Ziel des «Black Fridays» ist die Ankurbelung des Konsums in einem gesättigten Markt. Die Händlerinnen und Händler wollen ihre Lagerhallen leeren und verleiten die Konsumenten mit ausgeklügelten Marketingstrategien dazu, noch mehr zu kaufen – selbst Dinge, die sie eigentlich gar nicht brauchen.

Obwohl all diese Fakten bekannt sind, werden auch am heutigen «Black Friday» wieder Millionen Menschen ihre bevorzugten Konsumtempel stürmen und sich um ihre «Schnäppchen» balgen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Tasche_Hintergrund

Konsumentenschutz

Einseitige Vertragsklauseln. Täuschungen. Umweltschädlich. Hungerlöhne. Erschwerte Klagemöglichkeiten.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

2 Meinungen

  • am 29.11.2019 um 21:35 Uhr
    Permalink

    Wenn ich daran denke, dass dieser Kaufrausch als Abfall schlussendlich die Natur zerstört, ohne die wir nicht leben können ( das Wort «Umwelt» stellt uns ins Zentrum des Universums …)) , da wird mir übel – ein echter Brechreiz ….

  • am 1.12.2019 um 15:00 Uhr
    Permalink

    Dieses Jahr war mein erstes Jahr Black Friday ^^. Und das nur weil ich dringend einen Laptop für die Schule gebraucht hab. Ich finde diesen Tag völlig unnötig. Man kann ihn nutzen wenn man gezielt etwas braucht, aber die meisten machen dann Spontankäufe von Sachen die sie nie brauchen werden. Ist genau wie Valentinstag, Cybermonday, Ostern und auch Weihnachten. Riesen PR Maschinen die den Leuten in die Köpfe setzen, dass sie etwas brauchen.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...