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Eine Handvoll Unternehmen verursacht den Grossteil des weltweiten Plastikmülls. © Break free from Plastic

Plastikabfälle: Coca-Cola vor Nestlé und Pepsi-Cola am Pranger

D. Gschweng /  Die weltweite Dachorganisation «Break free from plastic» untersuchte am «World Cleanup Day» Plastikmüll in 51 Ländern.

Der grösste Anteil des weltweiten Plastikmüllaufkommens geht auf ein Unternehmen zurück: Coca-Cola. Die Marken Nestlé und Pepsi-Cola folgen im Ranking der grössten Plastikmüllverursacher mit einigem Abstand. Was keine grosse Überraschung ist, wenn man deren Marktanteile und Bekanntheit einbezieht.

Dieses Ranking geht auf eine Zählung zurück, das die Organisation «Break Free From Plastic» durchgeführt hat. Unter diesem Namen haben sich 1’500 Einzelorganisationen zusammengefunden, um gegen Plastikmüll zu kämpfen.

Für ihre Zählung nutzte die Organisation den «World Cleanup Day». Dieser findet jährlich Ende September statt, meist an einem Wochenende, zuletzt hat er am 21. September 2019 stattgefunden. 20 Millionen freiwillige Helfer räumten an diesem Tag weltweit Flüsse, Ufer, Strände, Wälder oder auch ihr Wohnquartier auf.


An diesen Orten wurde Plastikmüll nach Marken gezählt. Die Grösse der Kreise gibt die Menge des gefundenen Mülls an (Break Free From Plastic).

«Break Free From Plastic» führte begleitend ein Forschungsprojekt durch und ordnete den gefundenen Plastikmüll den Herstellern zu. 72’000 Freiwillige in 51 Ländern zählten für die internationale Dachorganisation 475‘423 Stück Plastikmüll, der insgesamt drei Fünftel des gesammelten Mülls ausmachte. 43 Prozent davon konnten sie einer Marke zuordnen. Das ist zwar nicht ganz repräsentativ, aber mehr als eine zufällige Stichprobe.

Einige wenige Marken produzieren den meisten Müll

Die Freiwilligen fanden fast 8‘000 verschiedene Marken, von denen wenige dominieren. Wie schon bei einer Greenpeace-Zählung 2018 brachte es Coca-Cola dabei sowohl bei der Verbreitung als auch bei der Menge auf die weltweit grösste Müllspur, gefolgt von Nestlé und PepsiCo.

Regional ergaben sich Unterschiede: Das Schweizer Unternehmen Nestlé ist beispielsweise in den USA und Asien der grösste Plastikmüll-Verursacher, während Coca-Cola in den USA nur an fünfter Stelle liegt. Wenig überraschend ist, dass vor allem Unternehmen aus Europa und den USA die Welt mit Plastik überschwemmen.

Die am häufigsten gefundenen Plastikartikel waren Plastiktüten (51‘168), kleine Portionsbeutel oder Sachets (35‘369) und Plastikflaschen (29‘142). Bei den Materialien dominierten PET und LDPE (Low Density Polyethylene). LDPE ist ein weisses oder farbiges Plastik, aus dem zum Beispiel Tabletts, Beutel oder Folien hergestellt werden. Zusammen mit jener Gruppe von Materialen, die gemäss «Break Free From Plastic» nicht eingeordnet werden können, machten sie 93 Prozent des gefundenen Plastikmülls aus.


Regionale Verteilung der führenden Vermüller (Break Free From Plastic), grössere Auflösung
Vor allem Unternehmen aus Europa und den USA überschwemmen die Welt mit Plastik. Wer regional für am meisten Müll sorgt, ist unterschiedlich (Break Free From Plastic)

So reagierte Coca-Cola

Coca-Cola als trauriger Spitzenreiter äussert sich öffentlich häufig und gerne pro Umwelt und vor allem pro Recycling. Auf eine Nachfrage des «Intercept» zum Marken-Audit von «Break Free From Plastic», schrieb das Unternehmen:

«Immer wenn unsere Verpackungen in unseren Ozeanen landen – oder überall dort, wo sie nicht hingehören – ist das für uns inakzeptabel. In Zusammenarbeit mit anderen arbeiten wir daran, dieses kritische globale Thema anzugehen, wir helfen sowohl an der Quelle, durch die Kunststoffabfälle in unsere Ozeane gelangen, als auch bei der Beseitigung von bestehenden Verschmutzungen.»

Coca-Cola investiere Millionen Dollar, um die Rückgewinnung von Verpackungen zu fördern und Recycling-Technologien zu verbessern, heisst es in derselben Stellungnahme. So habe das Unternehmen kürzlich eine Plastikflasche vorgestellt, die aus wiederverwertetem marinen Plastikmüll gefertigt wird.

Hinter der grünen Front wird kräftig opponiert

Verschiedene Medien und Umweltorganisationen werfen dem Konzern allerdings Doppelzüngigkeit vor. Hinter den Kulissen tue Coca-Cola alles, um Bemühungen für ein Rücknahmepfand zu unterlaufen und Umweltgruppen auszubremsen. Teilweise geschehe das unter dem Namen umweltfreundlicher Organisationen. Das haben unter anderen der «Intercept» und «Mother Jones» dokumentiert.

Plastik von Coca-Cola fand sich mit Abstand in den meisten Ländern (y-Achse) wie auch in grösster Anzahl (x-Achse). Die gestrichelte Linie zeigt den 99-Prozent-Wert an. (Break Free From Plastic) grössere Auflösung

Der öffentliche Druck auf die grössten Vermüller nimmt derweil ständig zu. Immer mehr Städte und Privatpersonen schliessen sich der «Zero Waste»-Bewegung an und versuchen so gut wie möglich, Müll zu vermeiden. Sobald das Verursacherprinzip zum Thema wird, gehen den Herstellern von Plastikflaschen und -verpackungen dabei oft die Argumente und Handlungsoptionen aus. Über die negativen gesundheitlichen Auswirkungen von Kunststoffproduktion und -nutzung wird ebenfalls vermehrt diskutiert (siehe beispielsweise Infosperber: «Plastik-Overkill im Selbstversuch»).

Wie Coca-Cola die Leitlinien einer Graswurzelbewegung umdeuten will

«Zero Waste» ist eine Graswurzelbewegung, die in den USA entstanden ist. Eine Art To-Do des Programms sind die «fünf R’s», die auf die Zero-Waste-Ikone Bea Johnson zurückgehen. Schlagwortartig und hierarchisch ist mit ihnen zusammengefasst, wie sich am besten Müll vermeiden lässt. Auch dagegen geht Coca-Cola vor.

Coca-Cola hat sich in dieser Hierarchie besonders Punkt vier («Recycle») herausgepickt. Durch die Gründung eigener Zero-Waste-Initiativen will das Unternehmen Konsumenten überzeugen, dass Recycling der Königsweg aus dem Mülldilemma ist und an der Spitze der Zero-Waste-Pyramide steht. Das berichtete zum Beispiel eine Aktivistin aus Serbien dem «Intercept». Eigentlich ist das unverständlich, denn das Mehrweg-System – Glasflaschen, die nach der Leerung in den Laden zurückgebracht wurden – ist noch gar nicht lange aus dem Markt verschwunden: Coca-Cola-Flaschen aus Glas waren lange die einzige Verpackung der weltbekannten Brause.

Recycling ist nicht der Königsweg

Ein Recycling- oder Pfandsystem wäre besser als die derzeitige Lösung, die an vielen Orten heisst «Aus den Augen, aus dem Sinn». Der Müll häuft sich dabei vor allem im globalen Süden, wohin die Industrieländer ihn verschiffen.

Aber selbst wenn alle Plastikflaschen weltweit recycelt würden, wirklich nachhaltig wäre es nicht. Bei jedem Recyclingvorgang werden die Polymerketten des Kunststoffs kürzer, weshalb sich eine Plastikflasche nur wenige Male recyclen lässt.

Oft wird Recyclingplastik in weniger wertige Produkte wie Baumaterialien überführt, die sich nicht mehr wiederverwerten lassen. Darauf weist auch «Break free from plastic» in ihrem Report hin. Einige Recyclingverfahren seien zudem problematisch. Andere Müllsorten lässt die Recyclinglösung aussen vor. Verbundverpackungen beispielsweise enthalten verschiedene Materialien, die so miteinander verbunden sind, dass sie sich nicht mehr trennen und damit auch nicht wiederverwerten lassen. Selbst sehr konsequentes Recycling würde die globale Müllflut also höchstens etwas eindämmen.

Nur Mehrwegsysteme können das Müllproblem auf Dauer lösen

Der einzige Weg aus der globalen Plastikschwemme führe über Mehrwegsysteme, legt «Break Free From Plastic» in Übereinstimmung mit «Greenpeace» dar. Vor allem die grössten Verursacher der Müllflut sollen dringend in die Entwicklung von einfachen, handhabbaren Mehrwegsystemen investieren, schlägt die Organisation vor. Den Hebel sieht sie dabei auf politischer Ebene. Der einzelne Konsument könne mit seinem Verhalten zwar Veränderungen anstossen, letztendlich brauche es aber gemeinschaftliche Anstrengungen, um dafür zu sorgen, dass weniger Plastik produziert werde.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

goldstein

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