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Wer in den USA für Amazon arbeitet, kommt teilweise nur mit Essensmarken über die Runden. © Amazon auf YouTube

Wie Amazon durch niedrige Löhne bald dreifach kassiert

Daniela Gschweng /  Während der Konzern mit Milliarden subventioniert wird, sind Amazons US-Angestellte auf Lebensmittelgutscheine angewiesen.

Amazon bezahlt seine US-Angestellten so schlecht, dass sie staatliche Unterstützung brauchen. Jeder dritte Amazon-Angestellte im Staat Arizona sowie jeder Zehnte in Ohio und Pennsylvania bezog in mindestens einem Monat in 2017 Essensmarken, hat das Onlinemedium «The Intercept» recherchiert.

Der «Intercept» hat in 30 US-Staaten nachgefragt, wie viele Angestellte welcher Unternehmen im Lebensmittelhilfeprogramm SNAP (Supplemental Nutrition Assistance Program) registriert sind. Fünf Staaten haben geantwortet, ein weiterer stellt diese Zahlen öffentlich zur Verfügung. In allen sechs Staaten ist Amazon unter den 20 Unternehmen, deren Angestellte am häufigsten Lebensmittelhilfe brauchen.

An einer grossen Zahl von Teilzeitangestellten, ausbeuterischen Personalverleihern oder Subunternehmen kann das nicht liegen. Nach eigenen Angaben beschäftigt Amazon zu 90 Prozent Vollzeitkräfte, die direkt angestellt sind.

Weltkonzern mit Hilfe des Steuerzahlers

Amazon wird nach Schätzungen von «Fortune» bis 2021 die Hälfte aller Onlineverkäufe in den USA tätigen. Der Konzern hat einen Börsenwert von 600 Milliarden Dollar und verspricht weiter zu wachsen. Ein Wachstum, das nicht zuletzt durch den Steuerzahler möglich wurde. Laut dem «Intercept» wurde Amazon bisher mit 1,2 Milliarden Dollar an Subventionen, Steuererleichterungen und Infrastrukturmassnahmen unterstützt.


Das «Business Journal» hat für viele US-Bundesstaaten in einer interaktiven Grafik zusammengetragen, wie viele Subventionen Amazon wo erhalten hat (direkt zur Grafik).

Nach einem Pilotprojekt in acht Bundesstaaten will Amazon noch in diesem Jahr anfangen, SNAP-Gutscheine in den ganzen USA anzunehmen. Dann kassiert das Unternehmen gleich dreifach: durch Subventionen, niedrige Löhne und über die staatliche Unterstützung der Angestellten, die es so schlecht bezahlt.

Viele Arbeitsplätze, wenig Lohn

Ausser in Seattle, wo sich die Zentrale befindet, arbeitet der grösste Teil der Angestellten in den Warenhäusern des Konzerns.

Ein Amazon-Warenhaus verspricht tausende neue Arbeitsplätze, steigenden Wohlstand und höhere Steuereinnahmen. Das lassen sich Staaten und Bezirke etwas kosten. Im US-Staat Pennsylvania beispielsweise gibt es 13 Amazon-Lagerhäuser, die mit mindestens 25 Millionen Dollar Subventionen gefördert wurden.

Dennoch haben von den etwa 10’000 Angestellten, die dort arbeiten, 1’000 nicht genügend Geld, um satt zu werden.

Mit Amazon wird niemand reich – ausser Amazon

Oft rechnen sich die Erwartungen der betroffenen Bezirke nicht, weil Amazon eine ungleich grössere Verhandlungsmacht hat. So schätzten die Verantwortlichen im Bezirk Miami-Dade, dass ein 2017 von Amazon geplantes Logistikzentrum etwa 2’300 Arbeitsplätze mit einem durchschnittlichen Lohn von 37’000 Dollar schaffen würde. Amazon sicherte sich aufgrund dieser Prognosen Steuerrückzahlungen in Höhe von 1,5 Millionen Dollar und eine Anleihe in Höhe von 5 Millionen Dollar für die Verbesserung der Infrastruktur.

Als die Verhandlungen abgeschlossen waren, war die Zahl der vorgesehenen Arbeitsplätze auf 1’000 gekürzt worden, und die Gehaltsvorstellungen sanken auf 24’018 bis 27’500 Dollar. Für eine vierköpfige Familie liegt ersteres an der US-Armutsgrenze. Auch in Dutzenden anderen Fällen seien Verhandlungen mit Amazon eher zum Nachteil der lokalen Bevölkerung ausgegangen, berichtet das «Pudget Sound Business Journal» (Paywall).

30 Prozent mehr Lohn als die Konkurrenz – von wegen!

Wenn Amazon ein neues Logistikzentrum eröffnet, wirbt das Unternehmen oft damit, dass es um die 30 Prozent mehr für eine vergleichbare Position bezahle als die Konkurrenz. Stimmt nicht, fanden verschiedene Studien. Das Medianeinkommen eines Amazon-Angestellten beträgt aktuell 28’446 Dollar im Jahr, etwa halbsoviel wie bei UPS, berichtet die «Süddeutsche Zeitung».

36’720 Dollar pro Minute

Der Konzern rechtfertigt niedrige Stunden- und Einstiegslöhne mit der Einstufung seiner Angestellten. «Sie vergleichen Arbeitsplätze im Lager nicht mit anderen Jobs in solchen Zentren, sondern mit Stellen im Einzelhandel», erklärt die Wissenschaftlerin Kasia Tarczysnka von «Good Jobs First». Traditionelle Lagerarbeiter verdienten etwas mehr. Dafür, sagte eine Sprecherin des Konzerns, bekämen Amazon-Angestellte Zusatzleistungen wie Krankenversicherung, Elternurlaub und höhere Boni. Sie weigerte sich jedoch anzugeben, um wieviel diese den durchschnittlichen monatlichen Lohn erhöhen.

Den CEO lässt die Diskussion kalt. «Ich bin sehr stolz auf unsere Löhne», sagt Amazon-Chef Jeff Bezos. Laut der «Süddeutschen Zeitung» verdient der Boss 36’720 Dollar pro Minute.

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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts des «Intercept» und anderer Quellen erstellt.

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NACHTRAG

Der Publizist Beat Kappeler macht auf eine andere fragwürdige Geschäftspolitik von Amazon aufmerksam:

Amazon hat 2017 mit riesigen Handelsumsätzen 0,2 Prozent Verlust gemacht (der bescheidene Gesamtgewinn stammt aus «Web Services»). Dank Vorauszahlung der Kunden und erst später bezahlter Lieferantenrechnungen hat Amazon ein riesiges negatives Betriebskapital, das mit den grossen Umsatzzunahmen jährlich um Milliarden wächst. Damit investiert und kauft sich Amazon laufend in andere Branchen ein und ruiniert diese. Die Aktionäre zahlen für die stets dividendenlose Aktie ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 240. Mit diesem aufgeblasenen Kurs kann Amazon seine Kader mit Aktien bezahlen und aufgekaufte Firmen mit Aktien bezahlen. Amazon druckt also sein eigenes Geld.

Nun die Frage: wenn die Kurse einmal nicht mehr steigen, wenn die Aktionäre Gewinn sehen möchten, wenn der Umsatz ruhiger wird und kein neues Betriebskapital zufliesst: wie sieht Amazon dann aus? Kaum wie ein Ruhmesblatt für Jeff Bezos.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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5 Meinungen

  • am 29.04.2018 um 12:02 Uhr
    Permalink

    Macht ist die Befähigung, über die Dinge zu befinden, über die nicht entschieden werden soll.
    Aber wer und wo sind die Machteliten? Im Feudalismus hat man sie anhand ihrer feinen Kleider und ihres Reichtums gesehen, was zu Empörung und zur Revolte führte. Also wurden die Zentren der Macht unsichtbar. In einer repräsentativen Demokratie ist nicht das Volk der Boss, was schon zu Zeiten von Edward Bernays so offensichtlich war, dass Bemerkungen darüber nur beiläufig in Nebensätzen Erwähnung fanden. Heute bekommt man die eigentlichen Bosse, letztlich sind 147 Konzerne weltweit bestimmend, all dies ist empirisch belegt, nicht zu greifen. Professor Mausfeld, das fällt auf, untermauert seinen Vortrag durchgehend mit Ergebnissen aus Studien und Folien mit Zitaten, Bildern, Zeitungsartikeln oder Grafiken. Und untereinander, da „reden die Eliten Klartext“. Aber eben nur untereinander.
    Der Professor erinnert, in Anspielung an das europaweite Netz von Goldman Sachs, dass in der EU fast alle entscheidenden Positionen nicht demokratisch legitimiert sind und wir eine „Verrechtlichung“ moralischer Kriminalität zugunsten der besitzenden Klasse hätten. Wie etwa Trump mit dem Austrocknen des Staates, der seine Aufgaben nicht mehr übernehmen kann, durch Steuergesetze für die Reichen in den USA zeigen würde.
    https://linkezeitung.de/2017/05/13/prof-mausfeld-ueber-meinungskontrolle-reine-demokratie-ist-illusion-und-gefaehrlich-fuer-eliten/comment-page-1/

    https://www.youtube.com/watch?v=AU8hjfhAAxg

  • am 29.04.2018 um 12:20 Uhr
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    Es ist mir und nich Vielen unverständlich diese Einstellung selber Bio zu scheffeln und andere hungern zu lassen! Auch die Gemeinden die solches zulassen ist klar zu verurteilen. Den Bpckling zu machen vor Konzernen scheint in Mide zu kommen!

  • am 29.04.2018 um 20:06 Uhr
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    Warum haben diese Leute diesen miesen Job nicht schon längst aufgegeben?

  • am 30.04.2018 um 09:43 Uhr
    Permalink

    Da fragt Herr Alex Schneider, warum diese Leute diesen miesen Job nicht schon längst aufgegeben haben? Na warum wohl. Weil man auf miese Jobs existenziell angewiesen ist! Sonst kommt das RAV und weist einem den «zumutbaren» Job zu. Oder die Sozialhilfe streicht die «Integrationszulagen», weil man diesen miesen Job nicht annehmen will. Das ist die Macht des Arbeits"Marktes» (ein absurdes Wort). Wer viel hat, dem gibt Staat noch mehr, wer kaum noch was hat, dem nimmt er noch das letzte Hemd und jammert und bosst, weil die SKOS das vorschreibt.

  • am 4.05.2018 um 11:03 Uhr
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    Und das wird alles toleriert. Folge dem Geld, dann wird klar, wieso und warum.

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