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Bayer-Vorstandsvorsitzender Werner Baumann © cc

Medien übernahmen unbedarft eine Lüge des Bayer-CEO Baumann

Urs P. Gasche /  Wiederholt behauptete Konzernchef Werner Baumann, eine Unzahl von Studien würden beweisen, dass Glyphosat nicht krebserregend sei.

Die dreiste Lüge von Werner Baumann, Vorstandsvorsitzender des Bayer-Konzerns:

    «Mehr als 800 wissenschaftliche Studien beweisen, dass das Pestizid Glyphosat nicht krebserregend ist.»

Die gleiche Lüge liess Baumann im Zwischenbericht zum 2. Geschäftsquartal aufnehmen:

    «Mehr als 800 wissenschaftliche Studien … haben bestätigt, dass Glyphosat bzw. Glyphosat-basierte Herbizide nicht krebserregend sind.»

Die gleiche Lüge verbreitete Monsanto-Vizepräsident Scott Partridge, nachdem Bayer/Monsanto im August in Kalifornien zu einem Schadenersatz wegen Glyphosat verurteilt worden war:

    «Es ist eine Tatsache, dass mehr als 800 wissenschaftliche Studien und Bewertungen … den Befund unterstützen, dass Glyphosat nicht krebserregend ist.»

Unkritische Verbreitung auf der ganzen Welt

Die Wiederholung macht diese Aussage nicht wahr. Obwohl es äusserst unwahrscheinlich ist, dass über 800 Studien zum Krebsrisiko existieren, haben Medien diese Behauptung auf der halben Welt verbreitet.
In der Schweiz wollte keine einzige der Zeitungen der Grossverlage Tamedia, Ringier oder NZZ von Bayer wissen, welches denn die angeblich über 800 wissenschaftlichen Studien sind. Sie holten auch keine Informationen ein bei unabhängigen Wissenschaftlern, die sich mit Glyphosat beschäftigen.

Einen Artikel der Schweizerischen Depeschenagentur SDA mit dem Zitat des Monsanto-Vizepräsidenten verbreiteten Mitte August die «Basler Zeitung», etliche andere Schweizer Zeitungen und auch «Watson». Unter dem Titel «Konzern verweist auf 800 Studien» informierte auch SRF. Die «NZZ» übernahm die Lüge von Bayer/Monsanto einige Tage später in einem eigenen Bericht. 14 Tage nach der SDA zitierte die «Zentralschweiz am Sonntag» den Bayer-CEO Werner Baumann, wonach «mehr als 800 Studien untermauern», dass Glyphosat keinen Krebs verursache.
Die PR-Kamagne der Bayer-Monsanto-Manager hat voll eingeschlagen.

«Bayer trickst mit falschen Zahlen»

Als einzige deutschsprachige Zeitung hat die Berliner Tageszeitung «taz» den Bayer/Monsanto-Konzern aufgefordert, die «über 800 wissenschaftlichen Studien» aufzulisten. Unter dem Titel «Die erfundenen Glyphosat-Studien» entlarvte die «taz» das Ganze als krasse Falschaussage:

    «Hokuspokus! Aus Tests, ob Glyphosat die Augen von Kaninchen reizt, werden bei Bayer schnell Belege, dass keine Krebsgefahr besteht.»

Die Kaninchen-Studie ist ein Beispiel. Die meisten der über 800 Studien befassen sich gar nicht mit Krebs.

Kein Wunder, versuchte der Bayer-Konzern die Recherchen der «taz» zu verhindern. Bayer hatte sich im letzten Juni Monsanto samt Glyphosat einverleibt. «Auch nach mehreren Bitten» verweigerte der Konzernsprecher, die Liste der angeblich über 800 Krebsstudien herauszugeben. Stattdessen verwies er auf rund tausend Studien, die sich allgemein mit dem Wirkstoff von Glyphosat befassen.
Die «taz» hat sie angeschaut: Rund 460 dieser Studien haben überhaupt nichts mit Krebs zu tun. Sie befassen sich beispielsweise mit «analytischen Methoden» zum Messen von Glyphosat, mit «physikalischen und chemischen Eigenschaften» oder dem «Schmelzpunkt» von Glyphosat. Eine Studie unter dem Titel «Giftigkeit für die Umwelt» untersuchte die Folgen für Bienen oder Bodenorganismen.
Auch unter den restlichen rund 550 Studien, auf die Bayer verwies, befinden sich nur vereinzelt Studien, die sich mit dem möglichen Verursachen von Tumoren befassen.

Auf Anfrage der «taz» erklärte das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung BfR, es kenne nur rund 50 wissenschaftliche Berichte zu Glyphosat, die einen Bezug zu Krebs haben. Davon seien 16 «Originalprüfberichte einschliesslich Rohdaten zu Kanzerogenitätsstudien in Versuchstieren» und 34 «Publikationen aus der wissenschaftlichen Literatur zu Beobachtungen am Menschen».
Das BfR hat keinen Grund zum Untertreiben. Denn das Institut erklärte Glyphosat als ungefährlich, «wenn der Stoff korrekt angewendet wird».

Dagegen stuft die Weltgesundheitsorganisation WHO den Unkraut-Vertilger Glyphosat als «wahrscheinlich krebserregend» ein. Biostatistik-Professor Christopher Portier, der die Krebsforschungsagentur der WHO beraten hatte, erkennt in den oben genannten rund 50 Krebsstudien auch Hinweise für eine mögliche Krebswirkung. Ausserdem würde die Mehrheit der Studien, die nicht von Monsanto konzipiert und finanziert wurden, einen Zusammenhang zwischen einer Glyphosat-Exposition und der Häufigkeit von Krebserkrankungen oder einer Schädigung des Erbguts zeigen.

Ein Gericht in San Francisco hat Bayer/Monsanto zu einer Strafe und Entschädigung in Höhe von 78 Millionen Dollar verurteilt. Kläger war ein Schulabwart, der bis zu dreissig Mal jährlich das glyphosathaltige Roundup verwendet hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Weitere mehrere tausend Klagen sind hängig.

Auf die Falschinformation folgt keine Korrektur

Das Zitieren von angeblich über 800 wissenschaftlichen Studien sei «eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit über die Krebsgefahr von Glyphosat», erklärte der Biochemiker Helmut Burtscher vom österreichischen Umweltverband «Global 2000» in der «taz».
Die «taz» hat die Bayer/Monsanto-Behauptung bereits am 13. November nach einer gründlichen Recherche als Lüge entlarvt.
Weshalb hat diese News weder zu einer Meldung der SDA geführt noch zu Berichten in der NZZ, den Sonntags-Zeitungen oder im Fernsehen?
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NACHTRAG
Der Bayer-Konzern bekämpft einen Plan der EU-Kommission. Dieser sieht vor, dass unabhängige Forscher Pestizidstudien rechtzeitig überprüfen können.
Artikel in der «taz» vom 23.11.2018: «Bayer gegen mehr Transparenz»
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Infosperber-DOSSIER: «Der Unkrautkiller Glyphosat»
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Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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Der Unkraut-Killer Glyphosat

Das in Landwirtschaft (mit «Roundup-Ready»-Saatgut) und Hobbygärten versprühte Herbizid ist in der Kritik.

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3 Meinungen

  • am 25.11.2018 um 12:47 Uhr
    Permalink

    Die NZZ kann ja schlecht zugeben, dass die taz Recht hat.
    Schade eigentlich.

  • am 25.11.2018 um 16:55 Uhr
    Permalink

    Vielen Dank für diesen Artikel, Herr Gasche. Die sogenannten Studien zur Gefährlichkeit von Glyphosphat bleiben geheim, doch dieser Tage debattieren EU-Abgeordnete über ein Gesetz, das die Geheimhaltung aufheben würde. Natürlich versucht die Pestizid-Industrie das zu verhindern. 6 weitere Links zu diesem Thema kann man übrigens über info@wemove.eu erhalten.

  • am 26.11.2018 um 10:25 Uhr
    Permalink

    In einer funktionierenden Wirtschaft, welche uns Menschen dient und eine planetare Ethik und die Zukunft unserer Kinder berücksichtigt, dürfte keinem Produkt die Verkaufs-Zulassung erteilt werden, von dem nicht klar bewiesen ist (und zwar nicht vom Hersteller), dass es für uns und unsere Umwelt unbedenklich und rezyklierbar ist.

    Auch sollten Produkte, bei denen eine Umwelt-Unverträglichkeit oder Kanzerogenität vermutet oder bewiesen ist, umgehend und vollständig verboten und aus dem Verkauf genommen werden.

    Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
    Alles andere ist verantwortungslos.

    Aber was müssen wir täglich debattieren und einfordern und individuell checken!
    Unsere Wirtschaft, inklusive Kriegswirtschaft, muss noch viel lernen, damit ihr nicht eines Tages die Konsumenten wegsterben.

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